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Medizinische Fakultät

„Babygesänge“ ist Wissenschaftsbuch des Jahres

18.02.2025

Kathleen Wermke erforscht seit Jahrzehnten Lautäußerungen von Säuglingen und Kleinkindern. Ihr darauf basierendes Buch wurde nun in Österreich zum besten Wissenschaftsbuch des Jahres in der Kategorie Medizin/Biologie gewählt.

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Kathleen Wermke hat mit ihrem Team das weltweit erste Zentrum zur Diagnostik vorsprachlicher Entwicklungsstörungen bei Kindern mit einem erhöhten Risiko für den Spracherwerb aufgebaut. (Bild: Kathrin Königl)

In ihrem Sachbuch „Babygesänge. Wie aus Weinen Sprache wird“ führt Kathleen Wermke ihre Leserinnen und Leser auf über 200 Seiten unterhaltsam und fundiert mit zahlreichen Hörbeispielen in die geheimnisvolle Klangwelt der Babys ein. Brabbeln, Quieken, aber auch Schreien und Weinen sind für sie wie Magie. Und diese Magie scheint die Professorin und Leiterin des Zentrums für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen am Uniklinikum Würzburg (UKW) auf die Leserschaft übertragen zu haben. Denn Kathleen Wermkes Buch mit zahlreichen Hörbeispielen wurde jetzt in Österreich zum besten Wissenschaftsbuch des Jahres in der Kategorie Medizin/Biologie gekürt.

Ehre und Anerkennung

Die Wahl erfolgt in einem mehrstufigen Prozess. Eine Fachjury aus den Bereichen Wissenschaft, Forschung, Wissenschaftsjournalismus, Büchereien und Buchbranche wählt zunächst in vier Kategorien jeweils fünf Bücher aus, aus denen dann in einer Publikumswahl die Siegertitel ermittelt werden. „Ich danke allen, die für mein Buch gestimmt haben. Es ist eine große Ehre für mich und eine Anerkennung meiner langjährigen Arbeit“, freut sich Kathleen Wermke.

Auch der österreichische Minister Martin Polaschek vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) freut sich über das große Publikumsinteresse an der Wahl und gratuliert den Autorinnen und Autoren der Siegerbücher: „Die Wahl zum besten Wissenschaftsbuch ist fixer Teil der Wissenschaftskommunikation des BMBWF und ich darf alle Forscherinnen und Forscher ermutigen, ihr Wissen auch weiterhin mit einer breiten Öffentlichkeit zu teilen.“

Babys in Frankreich und Japan weinen anders als in Deutschland

Kathleen Wermke erforscht seit Jahrzehnten das Weinen und die vorsprachlichen Lautäußerungen von Säuglingen und Kleinkindern auf fast allen Kontinenten. Obwohl alle Neugeborenen in der Lage sind, jede noch so komplexe Lautsprache der Welt zu erlernen, zeigen sich kulturelle Unterschiede bereits in den ersten Lauten, die Babys von sich geben.

Französische Babys weinen mit Akzent, japanische und schwedische Neugeborene weinen deutlich komplexer als deutsche Säuglinge. In der Lamnso-Sprache der Nso, einem ländlichen Volk im Nordwesten Kameruns, gibt es sogar acht Tonhöhen plus spezifische Tonhöhenverläufe.

Die Verhaltensbiologin und Medizinanthropologin schließt daraus, dass bereits im letzten Drittel der Schwangerschaft eine Prägung durch die Sprachmelodie der Mutter stattfindet. Kaum auf der Welt, imitieren die Kinder diese Melodiemuster. Wermke ist überzeugt, dass ein besseres Verständnis des Säuglingsgesangs dazu beitragen kann, die körperlichen und kognitiven Anstrengungen zu würdigen, die Babys leisten, um mit ihrer Umwelt akustisch in Kontakt zu treten und über die Stimme eine emotionale Bindung zu ihren Bezugspersonen aufzubauen.

Wie aus dem Urgesang Sprache wird

Sie versteht ihr Buch keineswegs als Ratgeber zur Sprachförderung. Sie möchte lediglich Erwachsene, nicht nur Eltern, dazu anregen, Babys einfach mal zuzuhören, ihre stimmlichen Botschaften wertzuschätzen und zu akzeptieren, dass diese emotionale Sprache der Weg zur Sprache ist. „Das Weinen und die vorsprachlichen Lautäußerungen, mit denen Gefühle und Bedürfnisse ausgedrückt werden, sind ein musikalischer Urgesang, der dem Gesang mancher Tiere ähnelt. Aber erst aus dem Babygesang entwickelt sich die gesprochene Sprache“, berichtet Kathleen Wermke, die derzeit mit Unterstützung der Carl Friedrich von Siemens Stiftung an einem Fachbuch arbeitet.

Kathleen Wermke forschte und lehrte viele Jahre am Institut für Anthropologie der Charité in Berlin bevor sie im Jahr 2003 an die Poliklinik für Kieferorthopädie des UKW wechselte, um dort in enger Kooperation mit der Kinderklinik, der Hals-Nasen-Ohren-Klinik und der Kinderneurochirurgie das interdisziplinäre Zentrum für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen aufzubauen. So entstand im Laufe der Jahre eine weltweit einzigartige Datenbank von Babylauten. Diese Daten ermöglichen es, die normale Sprachentwicklung sowie Einflussfaktoren wie Fehlbildungen, Hörstörungen oder Umweltbedingungen zu analysieren, Entwicklungsstörungen frühzeitig zu erkennen und gezielte Fördermaßnahmen zu entwickeln.

Das Buch

Kathleen Wermke: „Babygesänge. Wie aus Weinen Sprache wird“, Molden Verlag. 224 Seiten Hardcover, 13,5 x 21,5 cm. EUR 26,00. ISBN 978-3-222-15122-4

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Von Wissenschaftskommunikation UKW

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