Fibromyalgie: Autoantikörper greifen das Nervensystem an
18.02.2025Das Fibromyalgie-Syndrom wird womöglich durch eine falsche Reaktion des Immunsystems verursacht. Das berichtet ein Team um Professorin Claudia Sommer im Journal PAIN.
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Das Fibromyalgie-Syndrom (FMS) ist eine Erkrankung mit chronischen Schmerzen in mehreren Körperregionen, mit Schlafstörungen, Erschöpfung und häufig psychischen Begleitsymptomen. Seine Ursachen sind nach wie vor unklar.
Früher wurde das Syndrom als Erkrankung des rheumatischen Formenkreises angesehen. Später setzte sich die Auffassung durch, dass die Beschwerden durch eine veränderte Schmerzverarbeitung im Zentralnervensystem entstehen, dass sie also primär „Kopfsache“ sind.
Zu neuem Wissen über das Syndrom hat die Arbeitsgruppe von Professorin Claudia Sommer von der Würzburger Universitätsklinik für Neurologie seit 2013 wiederholt beigetragen. Unter anderem lieferte Sommers Team den erstmaligen Nachweis, dass kleine Nervenfasern in der Haut beim FMS in ihrer Struktur und Funktion verändert sind.
Autoantikörper bei mehr als 35 Prozent der Betroffenen
Die neuesten Ergebnisse der Würzburger Gruppe zeigen eine eindeutige Beteiligung des Immunsystems bei einer Untergruppe der FMS-Patienten und Patientinnen: Medizindoktorandin Anastasia Barcic fand heraus, dass bei über 35 Prozent der von Fibromyalgie Betroffenen Autoantikörper vorliegen, die sich gegen Strukturen des peripheren Nervensystems richten. Die Resultate sind in der Fachzeitschrift PAIN veröffentlicht.
Die naturwissenschaftliche Doktorandin Sabine Seefried vertiefte die Untersuchungen. Sie bestimmte durch Immunmarkierungen mit verschiedenen Antikörpern, an welche Strukturen des peripheren Nervensystems die Autoantikörper der Patientinnen und Patienten binden. Dabei entdeckte sie unterschiedliche Muster, aus denen sich bestimmte Untergruppen von Betroffenen ergeben.
Autoantikörper binden an unterschiedliche Zellen
Dabei zeigte sich ein Zusammenhang zwischen den betroffenen Strukturen und den Symptomen: In der Patientengruppe, bei der die Autoantikörper an Satellitenzellen banden, war die Schmerzintensität höher (Satellitenzellen umgeben die Nervenzellen im Spinalganglion). In der anderen Gruppe banden die Autoantikörper an Nervenzellen, die Capsaicin-Rezeptoren enthalten, also Sensoren für Schärfe und Hitze. Hier trat häufiger ein Brennschmerz auf.
„Diese und andere Befunde deuten darauf hin, dass die Autoantikörper nicht nur eine Reaktion des Körpers auf die Krankheit sind, sondern wahrscheinlich ursächlich mit den Symptomen zusammenhängen“, fasst Claudia Sommer die Ergebnisse zusammen.
Auf dem Weg zu gezielteren Therapien
Als nächstes will die Arbeitsgruppe herausfinden, gegen welche Strukturen sich die Antikörper genau richten. Das könnte den Weg zu einer neuen, zielgerichteten Therapie für Betroffene ebnen.
Das Forschungsprojekt wurde vom Evangelischen Studienwerk Villigst und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziell unterstützt.
Publikation
Seefried, Sabine; Barcic, Anastasia; Grijalva Yepez, Maria Fernanda; Reinhardt, Lena; Appeltshauser, Luise; Doppler, Kathrin; Üçeyler, Nurcan; Sommer, Claudia*. Autoantibodies in patients with fibromyalgia syndrome. PAIN, 5. Februar 2025, DOI: 10.1097/j.pain.0000000000003535