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Medizinische Fakultät

Meilenstein bei der Definition elektrischer Einheiten

04.12.2024

Ein Physikteam der Universität Würzburg (JMU) und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) hat ein Experiment umgesetzt, mit dem sich ein Standard für elektrischen Widerstand hochpräzise bestimmen lässt.

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Mithilfe dieses Geräts lässt sich die Widerstands-Normale auf Basis des anomalen Quanten-Hall-Effekts messen. (Bild: Fijalkowski, JMU)

In der industriellen Produktion oder in der Elektronik ist die präzise Messung des elektrischen Widerstands unerlässlich – zum Beispiel bei der Herstellung von Hightech-Sensoren, Mikrochips und Flugsteuerungen. „Hier kommt es auf exakte Daten an, denn schon kleinste Abweichungen können diese komplexen Systeme erheblich beeinträchtigen“, erklärt Charles Gould, Physikprofessor am Institut für Topologische Isolatoren der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU).

Gemeinsam mit seinem Team hat der Wissenschaftler nun erstmals eine sogenannte Quanten-Widerstandsnormale experimentell umgesetzt, die ohne ein äußeres Magnetfeld bestimmt werden kann. „Normalen dienen uns in der Physik als feste Referenzpunkte, um physikalische Größen genau zu messen und Messgeräte zu kalibrieren“, so Gould. „Eine Quantenwiderstandsnormale funktioniert auf der Grundlage invarianter Prinzipien der Quantenmechanik, was ihn außerordentlich stabil macht.“

So funktioniert die Normale

Der klassische Hall-Effekt dürfte vielen noch aus dem Physikunterricht bekannt sein: Wenn ein Strom durch einen Leiter fließt und dieser einem Magnetfeld ausgesetzt ist, entsteht eine Spannung – die sogenannte Hall-Spannung. Den Hall-Widerstand erhält man, indem man diese Spannung durch den Strom dividiert. Er steigt mit zunehmender Magnetfeldstärke. In extrem dünnen, nur ein paar Nanometer dicken Leitern (zum Vergleich: ein menschliches Haar ist circa 100.000 Nanometer dick) und bei sehr starken Magnetfeldern, steigt der Widerstand nicht mehr kontinuierlich, sondern nimmt immer die gleichen festen Werte an (diskrete Stufen, die universelle Werte annehmen und unabhängig von den Eigenschaften des Bauteils sind). Man spricht dann vom Quanten-Hall-Effekt (kurz: QHE). Dass der Widerstand beim QHE universelle Werte annimmt, macht ihn zur idealen Grundlage für die Bestimmung der Widerstandsnormale.

Die Besonderheit des anomalen Quanten-Hall-Effekts (kurz: QAHE) besteht nun darin, dass er den Quanten-Hall-Effekt ohne äußeres Magnetfeld ermöglicht. „Der Betrieb bei einem Magnetfeld von Null vereinfacht nicht nur das Experiment, sondern bietet auch einen Vorteil bei der Bestimmung einer anderen physikalischen Größe: des Kilogramms. Um das zu bestimmen, muss man gleichzeitig den elektrischen Widerstand und die Spannung messen“, sagt Gould, „aber die Messung der Spannung funktioniert nur ohne Magnetfeld. Deshalb eignet er sich besonders zu diesem Zweck.“

Bisher fehlte den Messungen des QAHE bei keinem äußerem Magnetfeld die für moderne Anwendungen in der Quantenmetrologie erforderliche Präzision. Mit den neuen Messungen ist die magnetfeldfreie QAHE-Normale erstmals auf Augenhöhe mit den frühen konventionellen QHE-Widerstandsnormalen und erreicht die erforderliche Präzision.

Weitere Pläne

Bislang ist der Betrieb der Quantenwiderstandsnormale ohne externes Magnetfeld auf extrem niedrige Temperaturen und geringe Ströme beschränkt – es handelt sich hauptsächlich um eine Demonstration. Um den Standard künftig auch kommerziell nutzbar zu machen, etwa für die Industrie, muss das Experiment weiter verbessert werden. Zu diesem Zweck arbeitet das Würzburger Team rund um Gould zusammen mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig sowie mit internationalen Forschenden im Rahmen des europäischen Metrologiekonsortiums QuAHMET.

Finanzielle Unterstützung für das Forschungsprojekt gab es von der Europäischen Kommission, vom Freistaat Bayern und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Exzellenzcluster ct.qmat

Die Autorinnen und Autoren der Publikation gehören zum Exzellenzcluster ct.qmat – Complexity and Topology in Quantum Matter (Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien), das seit 2019 gemeinsam von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg und der Technischen Universität (TU) Dresden getragen wird. Mehr als 300 Forschende aus mehr als 30 Ländern und von vier Kontinenten erforschen topologische Quantenmaterialien, die unter extremen Bedingungen überraschende Phänomene offenbaren – etwa bei ultratiefen Temperaturen, unter hohem Druck oder in starken Magnetfeldern. Das Exzellenzcluster wird im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert, als einziges bundesländerübergreifendes Cluster in Deutschland.

Zur Studie

A zero magnetic field quantum standard of resistance at the 10-9 level. D. K. Patel, K. M. Fijalkowski, M. Kruskopf, N. Liu, M. Götz, E. Pesel, M. Jaime, M. Klement, S. Schreyeck, K. Brunner, C. Gould, L. W. Molenkamp, and H. Scherer. DOI: 10.1038/s41928-024-01295-w

Kontakt

Prof. Dr. Charles Gould, Lehrstuhl für Experimentelle Physik III, Tel. +49 931 31-85899, gould@physik.uni-wuerzburg.de

Von Sebastian Hofmann

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