Mit Mut und Beharrlichkeit zum Erfolg
22.10.2019Ohne den passenden Rahmen ist Spitzenforschung nicht möglich. An der Universität Würzburg existiert dieser Rahmen. Das zeigt eine Publikation beispielhaft, die vor Kurzem in Nature erschienen ist.
Das Rezept für eine Publikation in Nature? Eine gute Idee, Beharrlichkeit, der Mut, alles auf eine Karte zu setzen, ein engagiertes Team und ein Umfeld, das technisch, thematisch und personell die notwendige Unterstützung bietet. Dieser Zutaten-Mix war im Fall von Dr. Sebastian Geibel die Grundlage dafür, dass der Biochemiker jetzt eine vielbeachtete Arbeit in der renommierten Fachzeitschrift veröffentlichen konnte.
Die Strukturbiologie der Mykobakterien – der Erreger der Tuberkulose – ist Geibels Forschungsschwerpunkt. In der in Nature veröffentlichten Arbeit beschreibt er erstmals den Aufbau einer Nanomaschine, mit der es das Bakterium schafft, sich dem Angriff des menschlichen Immunsystems zu entziehen und sein Überleben in dem von ihm befallenen Organismus zu sichern. Seine Ergebnisse über das sogenannte Typ VII-Sekretionssystem liefern die Grundlage für neue Wirkstoffe gegen eine Krankheit, deren Erreger immer häufiger resistent gegen die üblichen Medikamente sind – auch wenn Geibel betont, dass es bis dahin sicherlich noch ein großer Schritt ist.
Wissenschaft auf Weltniveau
„Das ist ein besonderer Erfolg, der zeigt, dass es in Würzburg Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gibt, die absolute Weltklasse sind“, sagt Professor Jörg Vogel, an dessen Lehrstuhl für Molekulare Infektionsbiologie I Geibel mit seiner Nachwuchsforschungsgruppe arbeitet. Geibel habe sich damit gegen eine weltweite Konkurrenz behauptet, die seit Jahren an dem gleichen Thema forscht – und das mit deutlich mehr Ressourcen, als Geibel zur Verfügung standen. Die extreme Fokussierung auf sein Thema und ein wenig Glück haben nach Vogels Worten zu dem jetzigen Erfolg beigetragen. Ungleich wichtiger sei jedoch das passende Umfeld gewesen.
Das Umfeld: „In Sebastian Geibels Fall haben verschiedene Institute zusammengewirkt. Expertinnen und Experten aus der Strukturbiologie und der Infektionsforschung haben kooperiert, um das Optimale zu schaffen“, beschreibt Professorin Caroline Kisker diese Umgebung. Kisker ist Inhaberin des Lehrstuhls für Strukturbiologie am Rudolf-Virchow-Zentrum für Experimentelle Biomedizin (RVZ) und – gemeinsam mit Professor Bernhard Nieswandt – Leiterin dieses Zentrums. Von Seiten des RVZ hat Geibel die notwendige Unterstützung für den strukturbiologischen Part seiner Forschung erhalten.
Die Mischung macht‘s
Was den Kontakt zu Infektionsforschern angeht, hatte es Geibel dementsprechend ebenfalls nicht weit: Seine vom Bayerischen Elitenetzwerk geförderte Nachwuchsgruppe ist mit dem Zentrum für Infektionsforschung (ZINF) assoziiert und arbeitet in dem gleichen Gebäude, in dem sich sowohl das RVZ als auch der Hauptsitz des Instituts für Molekulare Infektionsbiologie (IMIB), dessen Leitung Jörg Vogel innehat, und des ZINF – dessen Sprecherin Professorin Cynthia Sharma ist – befinden. „Solche eine Mischung ist schwer zu finden“, sagt Sebastian Geibel. Dank der unmittelbaren Nachbarschaft – teilweise liegen die Labore direkt nebeneinander – habe er mit vielen unterschiedlichen Gruppen aus allen Gebieten zusammenarbeiten können.
Von dem Prinzip des „Alle unter einem Dach“ hat allerdings nicht nur Sebastian Geibel profitiert. Von einer „Win-win-Situation für alle Beteiligten“ spricht deshalb auch Caroline Kisker. Geibels Erfolg will sie damit nicht schmälern: „Ich bin voll der Bewunderung für das, was Sebastian geleistet hat“, sagt sie. Alles auf eine Karte zu setzen und mit einer vergleichsweise kleinen Gruppe ein solch „technisch unglaublich anspruchsvolles Thema“ zu verfolgen, erfordere viel Mut.
„Auch der internationale, wissenschaftliche Beirat des ZINF hat in den Begutachtungen der ZINF-Nachwuchsgruppen mehrfach herausgestellt, an was für einem anspruchsvollen und risikoreichen Projekt Sebastian Geibel arbeitet“, sagt Cynthia Sharma. „Daher ist es wirklich ein toller Erfolg, und ich freue mich sehr, dass es Sebastian und seinem Team gelungen ist, diese strukturbiologische Herausforderung erfolgreich zu meistern“, sagt sie.
Hightech gibt den nötigen Schub
Was dabei auch geholfen hat, ist eine weitere Besonderheit in dem Gebäude auf dem Gelände des Würzburger Universitätsklinikums: Seit knapp zwei Jahren steht dort eines der leistungsstärksten Elektronenmikroskope der Welt, das hochaufgelöste Bilder biologischer Proben liefert. Seine Kennzeichen sind extrem tiefe Temperaturen bis zu minus 180 Grad Celsius und eine Auflösung, die sich in der Größenordnung von Atomen bewegt. Es ermöglicht es, biologische Moleküle und Komplexe zu untersuchen und deren dreidimensionale Struktur zu rekonstruieren. Verantwortlich für das Mikroskop ist Bettina Böttcher. Die Wissenschaftlerin ist seit August 2016 Professorin am Lehrstuhl für Biochemie der Universität Würzburg; ihr Schwerpunkt ist die sogenannte „Kryo-Elektronenmikroskopie“.
Die Anschaffung dieses rund 3,8 Millionen Euro teuren Mikroskops habe seiner Arbeit einen enormen Schub verlieren, sagt Sebastian Geibel. Vorher musste er für seine aufwendigen Untersuchungen teilweise bis nach Holland fahren, wo ein vergleichbares Gerät steht. Dort waren die Zeitfenster für seine Untersuchungen allerdings stark limitiert und teuer. Im Gegensatz dazu sei es ihm mit dem Würzburger Mikroskop möglich gewesen, seine Proben vor Ort und über mehrere Tage hinweg unter den Elektronenstrahl zu legen und so deren Struktur akribisch zu analysieren.
Förderung durch das Elitenetzwerk
Ein weiterer Unterstützer von Sebastian Geibels Forschung darf nicht vergessen werden: das Elitenetzwerk Bayern. Diese Einrichtung des Freistaats ist ein wichtiges Instrument zur Begabtenförderung vom Abitur bis in die Postdoc-Phase hinein. In Geibels Fall hat es dessen Nachwuchsforschungsgruppe „Mycobacterial Secretion Systems” seit 2014 finanziert; Mitte 2020 wird diese Förderung auslaufen.
Das Ende der Förderung in Sicht und die Hauptaufgabe gelöst – die Struktur von Typ VII-Sekretionssystemen zu entschlüsseln. Was macht ein junger Forscher, wenn er solch einen Punkt erreicht hat? Was die wissenschaftliche Seite angeht, ist das klar: „Es gibt noch viele weitere Proteine, die mit dem Komplex interagieren und beispielsweise dessen Aktivität regulieren, über die noch wenig bekannt ist. Da gibt es noch viele Fragen zu klären“, sagt Sebastian Geibel. „Er hat damit den Startschuss für eine Reihe großer Fragen abgegeben“, ergänzt Caroline Kisker. Mit den jetzt vorliegenden Informationen können sich Forschungsteams weltweit auf die Suche nach neuen Antworten begeben. Für Sebastian Geibel selbst ist der nächste logische Schritt auf der Karriereleiter eine Professur auf die er sich nun, mit seinem schon zweiten Nature-Artikel im Gepäck, bewerben will.
Weblinks
Sebastian Geibels Nachwuchsforschungsgruppe
Pressemitteilung zur Publikation in Nature
Kontakt
Dr. Sebastian Geibel, T: +49 931 31-84590, sebastian.geibel@uni-wuerzburg.de