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Medizinische Fakultät

Akademischer Chirurg mit Vorbildfunktion

18.02.2025

Professor Nicolas Schlegel erhält den neu geschaffenen Lehrstuhl für Experimentelle Viszeralchirurgie am Uniklinikum Würzburg.

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Professor Nicolas Schlegel ist Inhaber des neu geschaffenen Lehrstuhls für Experimentelle Viszeralchirurgie am Uniklinikum Würzburg. (Bild: Ulrich Bender)

Die Viszeralchirurgie begeisterte Professor Nicolas Schlegel von Anfang an. „Die Vielfalt und Komplexität der Chirurgie zwischen Hals und Enddarm ist absolut faszinierend. Die größte Motivation war aber die Möglichkeit, den Patientinnen und Patienten mit einem einzigen Eingriff in kurzer Zeit zu helfen“, schwärmt Nicolas Schlegel. Seine Leidenschaft gilt aber nicht nur der Patientenversorgung. Auch die Forschung liegt dem 45-jährigen Oberarzt am Herzen: „Ich möchte als Kliniker die Forschung aktiv mitgestalten, also ein akademischer Chirurg sein!“ 

Professor Christoph-Thomas Germer, Direktor der Klinik für Chirurgie I, unterstützte diesen Wunsch von Anfang an. Und somit wurde im Jahr 2019 am Uniklinikum Würzburg (UKW) eine deutschlandweit einmalige W3-Professur für Experimentelle Viszeralchirurgie eingerichtet, die Schlegel als Clinician Scientist im Tenure-Track-Verfahren besetzte. Der Brückenbauer zwischen Chirurgie und translationaler Forschung hat sich bewährt. Die Universitätsmedizin Würzburg hat nun einen Lehrstuhl für Experimentelle Chirurgie eingerichtet, den Nicolas Schlegel seit Dezember 2024 leitet.  

Zweitgrößtes chirurgisches Studienzentrum in Deutschland  

Eine der wichtigsten Einrichtungen im Rahmen seiner Tenure-Track-Professur war sicherlich die Gründung des chirurgischen Studienzentrums. „Damit haben wir eine Struktur geschaffen, die es uns ermöglicht, mit einem eigenen Studienteam systematisch Patientinnen und Patienten in große überregionale klinische Studien einzuschließen, aber auch eigene Studien durchzuführen“, sagt Nicolas Schlegel. „Vor fünf Jahren haben wir nur 22 Patientinnen und Patienten für chirurgische Studien rekrutiert, im vergangenen Jahr waren es bereits 360. Damit sind wir nach Heidelberg das zweitgrößte chirurgische Studienzentrum in Deutschland.“ 

Das Rückgrat des Studienzentrums, das von Oberarzt PD Dr. Matthias Kelm geleitet wird, bilden zwei Study Nurses und drei Studienärztinnen, die sich eine Stelle teilen. Viele der Studien sind klassisch technisch orientiert, etwa ob man beim Verschluss der Bauchnaht ein Netz einlegen sollte, um einen Narbenbruch zu verhindern. „Traditionsgemäß wurden in der Chirurgie immer nur Erfahrungen weitergegeben, aber wenig systematisch überprüft, weil auch die Infrastruktur fehlte. Die haben wir jetzt“, so Schlegel, der für die übergeordnete Koordination des Studienzentrums zuständig ist.  

Zwei Tage Forschung, drei Tage Klinik und allgegenwärtig Lehre  

Wie sieht der Alltag eines experimentell arbeitenden Viszeralchirurgen aus? „Zwei Tage pro Woche widme ich mich der Forschung, drei Tage pro Woche stehe ich im OP, und die Lehre ist natürlich allgegenwärtig“, berichtet Schlegel. „Allerdings musste ich zugunsten der Forschung mein chirurgisches Spektrum einschränken und mich auf das konzentrieren, worin ich spezialisiert bin und was ich in höchster Qualität leisten kann: die endokrinologische Chirurgie. Das heißt, ich operiere vor allem Schilddrüsen und Nebenschilddrüsen.“ 

In der Grundlagenforschung ist Nicolas Schlegel mit insgesamt drei persönlichen Schwerpunkten breiter aufgestellt: chronisch entzündliche Darmerkrankungen, kolorektale Karzinome sowie Veränderungen nach bariatrischer Chirurgie. In der klinischen Forschung beschäftigt er sich mit der endokrinen Chirurgie und Aspekten aus der perioperativen Medizin.  

Stabilisierung der Darmbarriere als wichtiges Ziel  

Im größten Projekt wird die Fehlregulation der Darmbarriere bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen untersucht. Dies geschieht unter anderem an Organoid-Modellen. „Wir sammeln hierfür bei Operationen anfallendes Restgewebe, das uns Patientinnen und Patienten spenden, und züchten daraus Darmepithelstrukturen“, erklärt Nicolas Schlegel. „Viele Aspekte der Darmbarriere sind bereits verstanden, aber wir müssen noch Angriffspunkte validieren, damit schädliche Bakterien und Krankheitserreger nicht durch die Zellschicht des Darms ins Körperinnere eindringen und Entzündungen auslösen.“

Die Organoid-Technologie kommt auch in der Tumorforschung zum Einsatz. Nicolas Schlegel leitet den vom Bayerischen Zentrum für Krebsforschung (BZKF) geförderten Leuchtturm „Präklinische Modelle“, um Proof-of-Concept-Studien für alle Forschenden im BZKF-Netzwerk zu beschleunigen. Organoidmodelle reduzieren Tierversuche. Doch ganz ohne Tierversuche geht es nicht. So hält das UKW verschiedene chirurgische Tiermodelle vor, zum Beispiel für die Adipositaschirurgie. Hier wird seit Jahren erfolgreich ein Roux-en-Magen-Bypass zur Gewichtsreduktion eingesetzt. Die Prozesse, die nach der Veränderung der Magen-Darm-Passage ablaufen, wie Appetitregulation, metabolische Verbesserung des Stoffwechsels, Veränderung des Mikrobioms etc. sind jedoch noch nicht vollständig verstanden. „Wenn wir aber verstehen, was nach dem chirurgischen Eingriff passiert, können wir vielleicht auch molekulare Ziele entwickeln und diese in eine medikamentöse Therapie umsetzen, um die Patientinnen und Patienten auf die Operation vorzubereiten“, sagt Nicolas Schlegel.

Präkonditionierung sei das Stichwort, was Nicolas Schlegel zur Prähabilitation führt. Auch das gehört zur Viszeralchirurgie: den Körper optimal auf die Operation vorbereiten, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, Schäden zu minimieren und die Genesung zu fördern. Hier zeigen die so genannten Fast-Track-Programme bereits Erfolge: Die Operierten sind schneller wieder fit, früher zu Hause, und es gibt weniger Komplikationen.  

Den Patienten von der Zelle bis zur Naht verstehen

Als Brückenbauer müsse er von jedem Bereich mindestens so viel verstehen, dass er die Kolleginnen und Kollegen aus der Grundlagenforschung, der klinischen Forschung und der Chirurgie zusammenbringen, ihre Fragen verstehen oder formulieren helfen kann, um das Fach weiterzuentwickeln. Denn die Forschung des Lehrstuhls ist so vielfältig wie die Viszeralchirurgie selbst: Sie reicht von molekularen Zusammenhängen über technische Aspekte bis hin zu der Frage, wie der Körper auf den chirurgischen Eingriff reagiert und wie das Zugangstrauma minimalisiert werden kann. „Chirurgie bedeutet nicht einfach, zwei Enden zusammenzunähen und zu hoffen, dass es heilt“, sagt Schlegel, der die Forschungsprojekte supervidiert. „Wir müssen den Patienten von der Zelle bis zur Naht verstehen. Wir müssen verstehen, wie die Zelle und das Gewebe auf unsere Eingriffe reagiert. Erst dann können wir präventiv oder therapeutisch eingreifen.“  

Diese Denkweise möchte er auch dem Nachwuchs vermitteln. Hier habe er eine Vorbildfunktion. „Die Chirurginnen und Chirurgen von morgen sollen molekulare Grundlagen verstehen, Studien beurteilen können, und lernen, dass sich Forschung und Chirurgie durchaus miteinander verbinden lassen“, bemerkt Schlegel, der derzeit vier naturwissenschaftliche und zwölf medizinische Doktorandinnen und Doktoranden betreut. Generell habe das UKW eine ideale Größe, in der sich die grundlagenwissenschaftlichen und klinischen Fächer und Bereiche begegnen und zusammenarbeiten können. Damit das so bleibt und gegebenenfalls noch besser wird, engagiert sich Nicolas Schlegel in verschiedenen Gremien.  

Werdegang von Nicolas Schlegel

Nicolas Schlegel wurde 1979 in Lörrach geboren, wuchs in Donaueschingen auf und kam im Sommersemester 2000 zum Medizinstudium nach Würzburg. Nach dem Physikum begann er seine Doktorarbeit in der Neuroanatomie und gab als Tutor Präparierkurse am Institut für Anatomie und Zellbiologie. Nach dem Staatsexamen im Jahr 2006 arbeitete Nicolas Schlegel zunächst als wissenschaftlicher Assistent in der Grundlagenforschung, unterrichtete Studierende in Anatomie und schuf so den Grundstein für seine heutige Tätigkeit. Im Jahr 2009 wurde er Assistenzarzt an der Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral-, Transplantations-, Gefäß- und Kinderchirurgie des UKW, wo er 2015 die Facharztprüfung ablegte. Ein Jahr später übernahm er die Leitung des Schwerpunktes endokrine Chirurgie, 2018 wurde er zum außerplanmäßigen Professor ernannt, im Jahr darauf erhielt er den Ruf auf die W3-Professur für Experimentelle Viszeralchirurgie und im Dezember 2024 auf den gleichnamigen Lehrstuhl. Nicolas Schlegel ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt mit seiner Familie bei Kitzingen.  

Details zum Lehrstuhl Experimentelle Viszeralchirurgie und zum Team finden Sie hier.

Von Pressestelle UKW

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