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Medizinische Fakultät

Springen für starke Knochen

27.09.2022

Kann ein Training bei Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom helfen, die beschädigte Knochenstruktur wiederaufzubauen? Das wird am Uniklinikum in einer Studie geprüft.

Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom stampfen und springen in kleinen Gruppen zweimal pro Woche 30 Minuten lang unter medizinischer Anleitung. Dieses Impact-Training soll dabei helfen, die durch die Krebserkrankung angegriffene Knochenstruktur wiederaufzubauen.
Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom stampfen und springen in kleinen Gruppen zweimal pro Woche 30 Minuten lang unter medizinischer Anleitung. Dieses Impact-Training soll dabei helfen, die durch die Krebserkrankung angegriffene Knochenstruktur wiederaufzubauen. (Bild: Universitätsklinikum Würzburg / Daniel Peter)

In letzter Zeit wird es mächtig laut auf Ebene -3 in der Physiotherapie am Uniklinikum Würzburg. Es wird gestampft, gehüpft und gesprungen bis die Wände wackeln.

Das Impact-Training, das die neue Studiengruppe von Franziska Jundt durchführt, hat es in sich. Zweimal pro Woche trainieren zwölf Männer und Frauen 30 Minuten lang unter medizinischer Anleitung und einmal zuhause. In der Kontrollgruppe der Studie „Machbarkeit vom Impact-Training bei Patienten mit Multiplem Myelom (MIMM)“ geht es wesentlich entspannter zu. Hier erhalten acht Personen ein Entspannungstraining. Sie alle haben eine Gemeinsamkeit: das Multiple Myelom.

„Das Multiple Myelom ist eine bösartige Erkrankung der Plasmazellen im Knochenmark“, erklärt Franziska Jundt, Professorin für Hämatologie und Internistische Onkologie und Leiterin des Zentrums für das Myelom im Zentrum für Seltene Erkrankungen Nordbayern (ZESE).

Die Professorin hat vor mehr als 20 Jahren einen Signalweg entdeckt, der auch beim Multiplen Myelom aktiv ist. Seither beschäftigt sie sich mit der Frage: Wie blockiere ich den Signalweg ohne schwerwiegende Nebenwirkungen? Denn leiden müssen die Betroffenen schon genug. „Die Tumorzellen infiltrieren das Skelett und zersetzen die Knochen. Selbst wenn die Tumorzellen abgeräumt wurden, haben die Betroffenen weiter Löcher im Knochen. Das führt zu zahlreichen schmerzhaften Frakturen. 80 Prozent der Myelom-Patientinnen und -Patienten leiden unter Knochenschmerzen und -frakturen“, verdeutlicht Franziska Jundt.

Ganzkörpervibrationstraining für starke Knochen

Schon lange treibt die Wissenschaftlerin und Mutter von drei Kindern die Frage um: Wie können wir den Knochen wiederaufbauen und Frakturen vermeiden?

Bei einem einfachen Bruch wird heutzutage möglichst früh mobilisiert, um dadurch den heilenden Knochen zu stimulieren. Sobald der Knochen über Muskeln beansprucht wird, kann sich die Knochenstruktur verbessern.

„Zur mechanischen Stimulation sind wir schließlich über die Arme von Tennisspielern gekommen, die eine unterschiedliche Knochendichte aufweisen. Beim Spielerarm ist die Knochendichte wesentlich höher im Vergleich zum nicht spielenden Arm“, berichtet die Medizinerin und verweist auf die Osteoporose, die heute bereits erfolgreich mit einem Ganzkörper-Vibrationstraining behandelt wird. Bei der Therapie stehen die Patientinnen und Patientinnen auf einer Art Rüttelplatte. Durch das sanfte Vibrieren werden Muskulatur und Knochen gestärkt.

Könnte diese Therapie auch bei Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom funktionieren?

Das Team um Franziska Jundt hat zunächst drei Wochen lang Mäuse mit Multiplem Myelom einer Art Kompressionsstimulation unterzogen. „Und zu unserer Überraschung war es möglich, dass sich die Knochen sogar dort aufgebaut haben, wo die Tumorzellen saßen“, sagt Jundt.

Daraufhin wurden in einer Pilotuntersuchung die Sicherheit sowie die spezifischen Auswirkungen eines Ganzkörper-Vibrationstrainings auf den Knochenstoffwechsel von Patientinnen und Patienten mit monoklonaler Gammopathie, einer Vorstufe des Multiplen Myeloms, untersucht. Neun Frauen und sechs Männer trainierten zweimal pro Woche eine halbe Stunde über zwölf Wochen, zehn von ihnen verlängerten um weitere zwölf Wochen.

Mit Erfolg. Schon nach drei Monaten war ein Knochenaufbau zu verzeichnen, der jedoch nach Abbruch des Trainings wieder auf das Ausgangsniveau sank. Bei Frauen war der Erfolg noch ausgeprägter als bei Männern. Jundt vermutet, dass dies an der Postmenopause liegt, in der sich der Knochen zunächst abbaut, sodass sich dieser durch eine Stimulation auch wieder stärker aufbaut.

In einer größer angelegten Studie in Kooperation mit den Uniklinika Hamburg, Essen und Köln sollen zukünftig Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom auf Rüttelplatten trainiert werden.

Stampf- und Sprungtraining

Auf Hochtouren läuft am Uniklinikum Würzburg jetzt bereits das Impact-Training, ein Stampf- und Sprungtraining. Studien haben gezeigt, dass sich diese Art von Krafttraining positiv auf die Knochendichte auswirkt, zum Beispiel bei Osteoropose und Prostatakrebs.

„Wir vermuten, dass die Stimulation des muskuloskelettalen Systems durch das Springen und Stampfen die Knochendichte erhöht, die Mobilität von unseren Myelom-Patientinnen und Patienten verbessert und schließlich auch Frakturen vorgebeugt wird. Daher prüfen wir in unserer Machbarkeitsstudie, ob wir dieses Training, das wir in Zusammenarbeit mit Freerk Baumann, Professor für onkologische Bewegungswissenschaften an der Uniklinik Köln, einsetzen, auch unseren Patientinnen und Patienten zumuten können“, erklärt Franziska Jundt.

Sportwissenschaft der Uni ist beteiligt

Das Projekt zeigt einmal mehr die interdisziplinäre Expertise und Zusammenarbeit, die sowohl die Erforschung als auch die Behandlung des Multiplen Myeloms erfordert und in Würzburg hervorragend funktioniert, so Jundt.

Allein am Training sind neben der Hämatologie und Onkologie die Radiologie beteiligt, die Orthopädische Klinik König-Ludwig-Haus, wo geprüft wird, ob das Skelett der Teilnehmenden überhaupt stark genug für das Sprung- und Stampftraining ist, und das Institut für Sportwissenschaften an der Universität Würzburg.

Nicht zu vergessen die Medizinstudierenden Marei Schallock und Ruben Ringeisen, die in der Inneren Medizin im Teilgebiet Hämatologie promovieren und jedes Training aktiv begleiten. Dabei stoßen sie oftmals ebenso an ihre Grenzen wie die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer. „Aber keine Sorge, wir holen jede Patientin und jeden Patienten dort ab, wo sie oder er gerade steht und steigern langsam die Intensität“, schildert Ruben Ringeisen.

#WomenInScience

Wie Professorin Franziska Jundt Beruf und Familie verbindet, erläutert die Professorin in der UKW-Serie #WomenInScience

Von Pressestelle Universitätsklinikum Würzburg

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