Wie Zucker Entzündungen fördert
22.03.2022Ein hoher Zuckerkonsum kann entzündliche Prozesse im Körper begünstigen und dadurch die Entstehung von Autoimmunkrankheiten fördern. Ein Forschungsteam der Uni Würzburg hat jetzt neue Details dieser Vorgänge entschlüsselt.
Wer über einen langen Zeitraum im Übermaß Zucker und andere Kohlenhydrate zu sich nimmt, trägt ein erhöhtes Risiko, eine Autoimmunkrankheit zu entwickeln. Bei den Betroffenen greift das Immunsystem das körpereigene Gewebe oder ein Organ an; die Folge sind beispielsweise chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, Typ-1-Diabetes sowie die chronische Entzündung der Schilddrüse.
Neue Angriffspunkte für eine Therapie
Die Prozesse, die in diesen Fällen auf molekularer Ebene ablaufen, sind vielschichtig und äußerst komplex. Jetzt ist es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) gelungen, neue Details zu entschlüsseln. Ihre Arbeiten weisen darauf hin, dass ein übermäßiger Konsum von Kohlehydraten direkt die krankmachenden Funktionen bestimmter Zellen des Immunsystems begünstigt und dass, im Umkehrschluss, eine kalorienreduzierte Ernährung sich günstig auf die Immunerkrankungen auswirken kann. Gleichzeitig zeigen sie neue Angriffspunkte für eine Therapie an: Eine spezifische Blockade bestimmter Stoffwechselprozesse in diesen Immunzellen könnte die überschießende Immunreaktionen unterdrücken.
Verantwortlich für die jetzt in der Fachzeitschrift Cell Metabolism veröffentlichte Studie ist Dr. Martin Väth, Nachwuchsgruppenleiter am Institut für Systemimmunologie – einer Max-Planck-Forschungsgruppe unter dem Dach der JMU, in deren Fokus das Wechselspiel des Immunsystems mit dem Organismus steht. Daran beteiligt waren Teams aus Amsterdam, Berlin, Freiburg und Leuven.
Glukosetransporter mit Nebenjob
„Immunzellen benötigen große Mengen an Zucker in Form von Glukose, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Mithilfe spezialisierter Transporter in ihrer Zellmembran können sie diese aus der Umgebung aufnehmen“, erklärt Martin Väth. Gemeinsam mit seinem Team konnte Väth jetzt zeigen, dass ein bestimmter Glukosetransporter – mit wissenschaftlichem Namen GLUT3 genannt – in T-Zellen, neben der Energiegewinnung aus Zucker weitere Funktion für den Stoffwechsel erfüllt.
In ihrer Studie haben sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf eine Gruppe von Zellen des Immunsystems konzentriert, die noch nicht allzu lange bekannt ist: T-Helferzellen vom Typ 17, auch Th17-Lymphozyten genannt. Von ihnen wird vermutet, dass sie eine wichtige Rolle bei der Regulierung von Entzündungsvorgängen spielen.
„Diese Th17-Zellen tragen jede Menge GLUT3-Proteine auf ihrer Zelloberfläche“, erklärt Väth. Aufgenommene Glukose wandeln sie dann in den Mitochondrien zu Zitronensäure um. Diese wird anschließend im Zellplasma zu dem Acetyl-Koenzym A umgewandelt, das unter anderem als Ausgangsstoff für die Synthese von Fettstoffen benötigt wird.
Einfluss auf entzündungsfördernde Gene
Azetyl-KoA übernimmt in Th17-Zellen aber noch mehr Aufgaben. Väth und sein Team stellten fest, dass dieses Stoffwechselprodukt auch die Aktivität verschiedener Genabschnitte im Zellkern regeln kann. Auf diese Weise nimmt es dort direkten Einfluss auf die Aktivität entzündungsfördernder Gene.
Die neuen Erkenntnisse eröffnen nach Ansicht der Forschenden Ansatzpunkte für eine zielgerichtete Therapie bei Autoimmunerkrankungen. Beispielsweise könne die Blockade der GLUT3-abhängien Synthese von Acetyl-KoA durch das Nahrungsergänzungsmittel Hydroxycitrat, das zur Behandlung von Übergewicht eingesetzt wird, die krankmachenden Funktionen von Th17-Zellen verhindern und dadurch entzündlich-pathologische Prozesse im Körper reduzieren. Diese „metabolische Umprogrammierung“ von T-Zellen sei ein neuer und spezifischer Angriffspunkt für die Therapie von Autoimmunerkrankungen, ohne dabei das Immunsystem komplett „ausschalten“ zu müssen.
Originalpublikation
The glucose transporter GLUT3 controls T helper 17 cell responses through glycolytic-epigenetic reprogramming. Sophia M. Hochrein, Hao Wu, Miriam Eckstein, Laura Arrigoni, Josip S. Herman, Fabian Schumacher, Christian Gerecke, Mathias Rosenfeldt, Dominic Grün, Burkhard Kleuser, Georg Gasteiger, Wolfgang Kastenmüller, Bart Ghesquière, Jan von den Bossche, E. Dale Abel, and Martin Vaeth. Cell Metabolism, https://doi.org/10.1016/j.cmet.2022.02.015
Kontakt
Dr. Martin Väth, Institut für Systemimmunologie, Max Planck Forschungsgruppe,
T: +49 931 31 82491, martin.vaeth1@uni-wuerzburg.de