Chemie für inklusive Klassen
Grundbegriffe der Chemie so verständlich machen, dass in inklusiven Grundschulklassen alle Kinder sie verstehen: Dieser Herausforderung stellten sich Studierende in einem Seminar.
Kann man Themen aus der Chemie für Kinder im Grundschulalter so aufbereiten, dass alle gemeinsam – von „geistigbehindert“ bis „hochbegabt“ – an Experimenten arbeiten? Wie kann dabei eine Kooperation von Studierenden aus verschiedenen Lehramtsstudiengängen und Fächern gelingen? Was bedeutet das für die Zusammenarbeit von Lehrenden aus verschiedenen Fakultäten?
Antworten auf diese Fragen wurden im Wintersemester 2016/17 gefunden – in einem gemeinsamen Projekt der Lernwerkstatt der Sonderpädagogik und der Didaktik der Chemie.
Das Seminar „Aktiv-entdeckendes Lernen im Sachunterricht“ wurde von Katja Weirauch (Chemie) und Walter Goschler (Sonderpädagogik) gemeinsam vorbereitet und durchgeführt. Studierende aus allen Lehramtsstudiengängen hatten dabei die Aufgabe, zwölf Laborstationen für eine inklusive 4. Schulklasse vorzubereiten.
Der Eindruck von Zauberei darf nicht entstehen
Die Stationen mussten einerseits den fachlichen Grundlagen chemischer Versuchsdurchführungen entsprechen. Andererseits waren sie didaktisch so anzulegen, dass sie verschiedene Zugangsebenen bieten und damit für alle Kinder einer inklusiven Klasse geeignet sind.
In der Planung hatten die Studierenden zwei Punkte zu berücksichtigen: Erklärungen sollten nicht auf der Ebene von Atomen, Molekülen und anderen Teilchen stattfinden, weil Grundschulkinder in der Regel mit derart abstrakten Erklärungsmodellen noch nichts anfangen können. Gleichzeitig mussten sie darauf achten, dass die Versuche für die Kinder nachvollziehbar bleiben und nicht der Eindruck von Zauberei entsteht.
Lernstationen: Von Schmelzpunkt bis Popcorn
Was an den Laborstationen gemacht wird? Hier eine kleine Auswahl: Manche befassen sich mit der Brennbarkeit von Stoffen und dem Vergleich von Schmelzpunkten. Zum Punkt „Veränderung von Grundstoffen“ können die Kinder Zuckerwatte herstellen und erforschen, warum sich Maiskörner in Popcorn verwandeln. Und Versuche zur Stofftrennung zeigen, dass die Farben von Filzstiften aus unterschiedlichen Farbanteilen bestehen.
All diese Angebote wurden zunächst in kleinen Gruppen aus drei bis vier Studierenden erarbeitet. Das war möglich, weil sie von einer studentischen Tutorin aus dem Kompass-Programm der Universität unterstützt wurden.
Verschiedene Lehrämter gut durchmischt
Beteiligt waren Studierende der Lehrämter für Gymnasien oder Realschulen mit dem Fach Chemie, aber auch Studierende der sonderpädagogischen Fachrichtungen. Diese stellten die größte Gruppe der Teilnehmer. Gut vertreten waren außerdem Studierende aus den Lehrämtern für Grund- oder Mittelschulen. „Bei der Gruppeneinteilung haben wir sehr darauf geachtet, die verschiedenen Lehrämter gut zu durchmischen, um einen Kompetenztransfer zu ermöglichen“, sagt Walter Goschler.
Schließlich konnten die Studierenden an zwei Donnerstagen die Unterrichtsangebote mit Kindern der Klasse 4 der Grundschule Heuchelhof im MIND-Center der Uni auf dem Campus Nord ausprobieren. Bei der Klasse handelt es sich um eine von knapp 30 Klassen in ganz Bayern, die sich aufgrund der Tandem-Arbeit einer Grundschul- und einer Sonderschullehrkraft für sehr heterogene Schülerschaften eignen.
Rückmeldungen der Studierenden
Bei der Evaluation des Seminars zeigte sich, dass es für die Studierenden eine große Herausforderung war, das jeweilige Niveau der verschiedenen Schüler zu treffen. Sie mussten sowohl bei der Erstellung differenzierender Arbeitsmaterialien als auch bei der Durchführung der Stationen unterschiedliche Zugangsebenen berücksichtigen.
Als besonders anspruchsvoll stuften es die Studierenden ein, die chemischen Begriffe und Arbeitsweisen in einer angemessenen didaktisch reduzierten Weise zu erklären. Die Versuche sollten aus der Alltagsrealität der Kinder abgeleitet sein. Es sollte ein Anschluss an kindliche Begriffsverwendungen stattfinden, aber dennoch zu chemischen Fachbegriffen hingeführt werden. Gerade Letzteres stellte offensichtlich alle Beteiligten – auch die Lehrenden – wiederholt vor besondere Herausforderungen.
Wichtig war den Studierenden nicht nur die gemeinsame Planungsphase, sondern besonders auch die praktische Durchführung der Angebote mit den Schulkindern. So konnten sie sich direkt mit den verschiedenen Herangehensweisen der Schüler auseinandersetzen und bekamen direkte Rückmeldungen zu den Stationen.
Alles in allem schätzen die Teilnehmer das Seminarangebot als sehr hilfreich für das weitere Studium und den späteren Beruf ein. Trotz des hohen Arbeitsaufwandes waren viele der Meinung, dass solche Seminarformate beibehalten werden sollen – weil sie produktiv und sinnvoll seien und zudem auch Spaß machen.
Kontakt
Walter Goschler, Lernwerkstatt des Instituts für Sonderpädagogik, T (0931) 31-89118, walter.goschler@uni-wuerzburg.de
Katja Weirauch, Didaktik der Chemie, T (0931) 31-83353, Katja.Weirauch@uni-wuerzburg.de