Der Hebel für mehr Gerechtigkeit
Isabel Feichtner ist neue Professorin an der Juristischen Fakultät der Universität Würzburg. Ihr Schwerpunkt ist das Wirtschaftsvölkerrecht – ein Dreh- und Angelpunkt, wenn es um Themen wie Umweltschutz, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit geht.
Wenn Donald Trump Firmen, die Arbeitsplätze nach Mexiko verlagern, mit Strafzöllen belegt: Darf er das? Oder verstößt der neue Präsident damit gegen internationales Recht? Was ist mit seinem Vorhaben, mit einer zwanzigprozentigen Strafsteuer auf mexikanische Produkte den Bau einer Mauer entlang der Grenze zu finanzieren? Und verletzt seine Anweisung, eine Ölpipeline quer durch die USA zu bauen, möglicherweise die Rechte indigener Völker?
Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich Isabel Feichtner. Die Juristin hat seit November 2016 die Professur für Öffentliches Recht und Wirtschaftsvölkerrecht an der Universität Würzburg inne. Zu ihren Schwerpunkten gehören das transnationale Rohstoffrecht, das Recht globaler Verteilungskonflikte und das Recht des Geldes.
„Die Bedeutung des Wirtschaftsvölkerrechts hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen“, sagt Isabel Feichtner. Das zeige sich unter anderem an den Debatten um regionale Handelsabkommen wie TTIP und CETA. Eine Befassung mit dem Wirtschaftsvölkerrecht sei unabdingbar, wenn es um globale Herausforderungen wie zunehmende Ungleichheit oder um den Klimawandel gehe, sagt sie.
Rohstoffe stehen im Zentrum der Probleme
Ein Beispiel dafür ist der Kampf um Rohstoffe. Was das Recht damit zu tun hat? „Es steht am Anfang jedes Verteilungskonflikts, weil es Jurisdiktion und Ausbeutungsrechte verteilt“, sagt Isabel Feichtner. Rechtliche Fragen sind ebenfalls zentral, wenn es darum geht, ob und wie Rohstoffe ausgebeutet werden. „In Deutschland gibt es beispielsweise ein öffentliches Interesse am Bergbau. Viele wertvolle Bodenschätze werden nicht vom Grundeigentum erfasst. Sie gelten als Gemeingut, um die wirtschaftliche Ausbeutung zu erleichtern“, sagt die Professorin. Um die Rohstoffausbeutung zu ermöglichen, können auch Grundrechte eingeschränkt werden – was insbesondere Bewohner von Braunkohle-Abbaugebieten zu spüren bekommen, wenn sie ihre Dörfer verlassen und den Schaufelbaggern freie Bahn einräumen müssen.
Rohstoffe (und Geld) sind nach Feichtners Worten „Schlüssel zum Verständnis der globalen politischen Ökonomie und Ökologie“. Gerade die Rohstoffwirtschaft bedürfe einer transnationalrechtlichen Betrachtungsweise. Ihr Ziel sei es, das transnationale Rohstoffrecht als eigenständiges Rechtsgebiet zu etablieren und damit Einsichten zu ermöglichen, wie das Recht Verteilungskonflikte begründet und wie es Fragen des Umweltschutzes, der Minderheitenrechte und sozialer Gerechtigkeit rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Verteilungsmechanismen zuführt.
Reformvorschläge von Rechtswissenschaftlerinnen
Bei der Suche nach Lösungen für die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen sind nach Ansicht der Professorin nicht nur Ökonomen und Politikwissenschaftler gefragt. Für die genaue Analyse der Probleme seien schließlich „tiefgehende Kenntnisse des internationalen Rechts sowie seiner Wechselwirkungen mit regionalem Recht, beispielsweise dem EU-Recht und dem nationalem Recht“, erforderlich.
Bei der Analyse soll es allerdings nicht bleiben, findet Isabel Feichtner. Wenn rechtliche Institutionen Anreize für eine exzessive Ausbeutung der Natur schaffen, welche die Profitinteressen Weniger befriedigen, müssten Rechtswissenschaftler über alternative Institutionen nachdenken . „Wir müssen Vorschläge machen, wie man der Ausbeutung und dem Raubbau entgegenwirken kann“, fordert sie. Das allerdings sei nur auf der Basis politisch-ökonomischer Forschung möglich.
Neue Angebote in der Lehre
Den Studierenden der Universität Würzburg will Isabel Feichtner das Gebiet mit Vorlesungen und Seminaren im Schwerpunktbereich „Wirtschaftsvölkerrecht“ nahebringen. Beispielsweise möchte sie mit Studierenden Schriften wichtiger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler lesen und die Verfasser anschließend zur Diskussion einladen. Lehrveranstaltungen zum Wirtschaftsvölkerrecht auf Englisch abzuhalten, würde sich ihren Worten nach anbieten: „Die WTO-Abkommen zum Beispiel sind nur sehr unzureichend ins Deutsche übersetzt.“ Außerdem plant die Professorin Studierende und Doktoranden in die Planung und Durchführung internationaler Symposien einzubinden, etwa zur Rohstoffausbeutung in Weltall und Tiefsee.
Was sich Isabel Feichtner von ihren Studierenden erwartet? Sie sollten interessiert sein an Gerechtigkeit, nicht nur an gutbezahlten Jobs, sagt sie. Auch ein Interesse für Politik, Wirtschaft und soziale Fragen sollte vorhanden sein. Im Gegenzug eröffne ein Jurastudium die Möglichkeit besser zu verstehen, wie die Gesellschaft funktioniert.
Isabel Feichtners Vita
Isabel Feichtner ist in Rottweil (Baden-Württemberg) aufgewachsen. Sie hat Rechtswissenschaften in Freiburg, Amsterdam, Berlin und als Fulbright-Stipendiatin an der Cardozo Law School in New York studiert. Nach Abschluss ihres Master of Laws wurde sie in die New Yorker Anwaltskammer aufgenommen und arbeitete für ein Jahr als Anwältin in einer renommierten Kanzlei. Anschließend absolvierte sie ihr Referendariat in Berlin, einschließlich einer Station bei der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik bei der OECD in Paris.
Nach dem zweiten Staatsexamen war sie Referentin am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg und Visiting Doctoral Researcher an der New York University. Ihre Dissertation befasst sich mit der Flexibilisierung des Welthandelsrechts durch das Rechtsinstrument des Waiver. Vor ihrer Berufung an die Universität Würzburg war sie Juniorprofessorin an der Goethe Universität Frankfurt, wo sie im Graduiertenprogramm Law and Economics of Money and Finance insbesondere Internationales Währungs- und Finanzrecht lehrte.
Kontakt
Prof. Dr. Isabel Feichtner, LL.M., Professorin für Öffentliches Recht und Wirtschaftsvölkerrecht,
T: (0931) 31 86622, isabel.feichtner@jura.uni-wuerzburg.de