Intern
Comprehensive Cancer Center Mainfranken

Die Energiewende ist machbar

13.07.2010 |
Von Pressestelle Uni Würzburg
Treffen im Bundesumweltministerium (v.l.): Vladimir Dyakonov, Joachim Nick-Leptin, Leiter des Referats für Allgemeine und grundsätzliche Angelegenheiten der Erneuerbaren Energien im Ministerium, und Norbert Röttgen. (Foto: FVEE)

2050 könnte Deutschland seinen Energiebedarf komplett auf der Basis von vielfältigen erneuerbaren Quellen decken. Dieses Ergebnis hat eine aktuelle Studie des Forschungsverbunds Erneuerbare Energien. Der Würzburger Physiker Vladimir Dyakonov, Sprecher des Forschungsverbunds, hat die Studie vor Kurzem Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen überreicht.

Die Erdölreserven schwinden, der CO2-Anteil in der Atmosphäre wächst, der Klimawandel kündigt sich an. Kein Wunder, dass das Thema „Energie aus erneuerbaren Quellen“ zunehmend an Bedeutung gewinnt. Ob sich jedoch der Bedarf eines ganzen Landes aus Sonne, Wind, Biomasse und Erdwärme decken lässt, daran gibt es Zweifel.

„Unnötige Zweifel“, sagt der Forschungsverbund Erneuerbare Energien (FVEE). In einer aktuellen Studie legt der Verbund dar, wie eine Vollversorgung Deutschlands auf der Grundlage von erneuerbaren Energien bis Mitte des Jahrhunderts möglich ist. Die einzigen Bedingungen dafür sind: Die Forschung auf diesem Gebiet darf nicht nachlassen und die Politik muss für den entsprechenden Rahmen sorgen.

Die Grundzüge des Konzepts

„Unser Konzept steht auf zwei Säulen: einer verbesserten Energieeffizienz auf der einen Seite und der Energieproduktion aus regenerativen Quellen auf der anderen Seite“, sagt Vladimir Dyakonov. Der Professor ist Inhaber des Lehrstuhls für Experimentelle Physik VI an der Universität Würzburg und wissenschaftlicher Leiter des Bayerischen Zentrums für Angewandte Energieforschung (ZAE Bayern) und forscht schon seit vielen Jahren an organischen Solarzellen.

Gleichzeitig ist Dyakonov Sprecher des FVEE und hat in dieser Funktion Ende Juni Bundesumweltminister Norbert Röttgen die neue Studie überreicht. Der FVEE ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Forschungsinstituten. Mit etwa 1800 Mitarbeitenden repräsentiert er rund 80 Prozent der Forschungskapazität auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien in Deutschland und ist das größte koordinierte Forschungsnetzwerk in diesem Bereich in Europa. Das Konzept der Energieforscher sieht mehrere Schritte vor:

Strom wird zum Hauptenergieträger

„Wir setzen auf die Erzeugung und Nutzung von Strom aus Quellen wie Windkraft, Solarenergie, Wasserkraft und Geothermie“, sagt Dyakonov. Strom wird damit der Hauptenergieträger zur Versorgung von Gebäuden, für die Industrie und für den Verkehr. Durch die Einführung der Elektromobilität komme es im Verkehrssektor, sowie durch eine generelle Steigerung der Effizienz in allen Bereichen zu erheblichen Energiereduktionen.

Und was ist, wenn der Wind mal ein paar Tage nicht weht und die Sonne hinter dicken Wolken verschwindet? „Dann kommen chemische Energieträger wie Methan oder Wasserstoff zum Einsatz, die zuvor beispielsweise mit Hilfe von überproduzierter elektrischer Energie erzeugt wurden“, erklärt der Physiker. Schiffe und Flugzeuge, die auch weiterhin auf Flüssigtreibstoffe angewiesen sein werden, erhalten ihr „erneuerbares Kerosin“ aus biogenen Reststoffen. Ihre CO2-Emissionen sind somit umweltneutral.

Eine Kontinente übergreifende Lösung muss her

Wenn Strom zum Energielieferanten Nummer 1 wird, sind dafür neue, intelligente Netze notwendig. „Eine isolierte Lösung nur für Deutschland alleine wird nicht funktionieren“, sagt Dyakonov. Das mindeste sei eine europäische Lösung, besser noch eine Kontinente übergreifende. Dann könnten gewaltige Kraftwerke in der Sahara aus Sonnenlicht Strom produzieren, der über die entsprechenden Leitungen verlustfrei nach Europa fließt. Wenn mehr Strom produziert als gebraucht wird, kann der Überschuss dazu genutzt werden, in Norwegen vorhandene Wasserspeicher zu füllen. Die ihrerseits springen ein, wenn die Sonne mal nicht scheint und der Wind nicht weht.

Energie effizient nutzen

Auch erneuerbare Energien sind nicht unbegrenzt vorhanden. Deshalb fordern die Wissenschaftler dringend eine effiziente Nutzung von Energie und damit einen geringeren Verbrauch in allen Bereichen. „Die energetische Sanierung unseres Gebäudebestandes steht dabei ganz oben“, sagt Dyakonov. In diesem Bereich lasse sich durch den Einsatz moderner Technik und neuer Funktionsmaterialien jede Menge Energie einsparen.

Weitere Forschung ist notwendig

Zum Nulltarif wird es den Umstieg auf erneuerbare Energien nicht geben: „Es besteht noch hoher Forschungsbedarf in allen Bereichen“, sagt Dyakonov. Was aber nicht bedeute, dass der Forschungsverbund für sein Konzept auf Techniken setzt, die noch gar nicht erfunden sind. „Alle Techniken existieren und funktionieren. Diese sind aber noch längst nicht am Ende der Entwicklung“, so der Physiker.

Das Geld, das Deutschland jetzt in die Forschung und Entwicklung der erneuerbaren Energie steckt, wird sich nach den Berechnungen des FVEE schon bald amortisieren. „Das Energiesystem wird langfristig gesehen nicht teurer als das gegenwärtige“, heißt es in der Studie. Natürlich gebe es anfängliche Mehrkosten. Diese würden aber durch andere Effekte kompensiert: Unter anderem, weil Deutschland darauf verzichten kann, fossile Energieträger zu importieren. Und weil es nicht so viel Geld für die Vorsorge gegen oder die Beseitigung von Klimaschäden ausgeben muss.

Die weiteren Schritte

Umweltminister Norbert Röttgen war von dem FVEE-Konzept angetan: „Wenn wir unsere Ausbauziele bei den erneuerbaren Energien erreichen wollen, dürfen wir an Zukunftsinvestitionen nicht sparen. Wir müssen die Forschung verstärken und die Netze ausbauen. Die Studie belegt, wie diese Investitions- und Entwicklungskosten langfristig vor allem durch eingesparte Kosten bei Energieträgern deutlich überkompensiert werden“, sagte Röttgen bei dem Treffen mit den FVEE-Vertretern.

„Er war sehr interessiert an unserer Arbeit und hat immer wieder kritisch nachgefragt“, schildert Dyakonov das Treffen mit dem Umweltminister. Ungelesen in Röttgens Schublade wird das Papier jedenfalls nicht landen. Schon jetzt hat der Forschungsverbund den Auftrag, ein detailliertes Konzept für den Umstieg auf erneuerbare Energien vorzulegen. „Die jetzige politische Debatte ist zu sehr auf die Restlaufzeiten von Atomkraftwerken fixiert und muss auf erneuerbare Energien und Effizienz erweitert werden“, so Röttgen. Die FVEE-Handlungsempfehlungen sollen dann in das künftige Energieprogramm der Bundesregierung einfließen.

Kontakt: Prof. Dr. Vladimir Dyakonov, T: (0931) 31-83111, E-Mail: dyakonov@physik.uni-wuerzburg.de

Links:

Forschungsverbund Erneuerbare Energien 

Die Studie