Einfluss von Darmpartikeln auf Stammzelltransplantationen

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert Forschung zum Darm-Graft-versus-Host-Syndrom nach allogener Stammzelltransplantation mit 400.000 Euro. Die oft lebensrettende Therapie ist bislang mit einigen Risiken verbunden.
Muhammad Haroon Shaikh erhält von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Projektförderung in Höhe von 393.693 Euro. Ziel seines Forschungsvorhabens ist die Aufklärung der Rolle von extrazellulären Vesikeln aus Darmepithelzellen (IEC-EVs) bei der Entstehung der akuten Graft-versus-Host-Disease (aGvHD) nach allogener Stammzelltransplantation. Das Verständnis, wie IEC-EVs die Immunantwort beeinflussen, könnte den Weg für zielgerichtete Therapien ebnen, um aGvHD zu verhindern oder abzuschwächen und damit Komplikationen zu reduzieren und die Überlebensraten zu verbessern. Darüber hinaus könnte die Studie Biomarker für eine frühe Diagnose identifizieren, was zu schnelleren Diagnosen und einer besseren Patientenversorgung führen würde.
Die allogene Stammzelltransplantation ist eine oftmals lebensrettende Behandlungsmethode für Patientinnen und Patienten mit schweren Blutkrankheiten wie Leukämie oder bestimmten Krebsarten. Dabei werden gesunde Stammzellen von einem Spender übertragen, um das erkrankte Knochenmark zu ersetzen und das Immunsystem wiederherzustellen. Doch die Behandlung kann auch Risiken mit sich bringen. Eine der schwerwiegendsten Komplikationen ist die sogenannte akute Transplantat-gegen-Wirt-Erkrankung (Graft-versus-Host-Disease, kurz GvHD). Dabei greifen die übertragenen Immunzellen nicht nur kranke, sondern auch gesunde Zellen des Empfängers an. Dies kann zu schmerzhaften, lebensbedrohlichen Entzündungen führen – insbesondere im Darm.
Dr. Muhammad Haroon Shaikh von der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) hat sich zum Ziel gesetzt, mit seiner Forschung dazu beizutragen, diese gefährliche Komplikation nach einer Stammzelltransplantation in den Griff zu bekommen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt sein Forschungsprojekt mit dem Titel „Auswirkung von Darmepithelzellen, die aus extrazellulären Vesikeln entwickelt werden, bei der Regulierung des akuten Darm-Graft-versus-Host-Syndroms“ mit einer Einzelförderung in Höhe von 393.693 Euro.
Einfluss von Partikeln der Darmzellen auf Immunreaktionen
Der Biotechnologe und sein Team konzentrieren sich auf extrazelluläre Vesikel. Das sind winzige Partikel, die von Epithelzellen des Darms freigesetzt werden. Epithelzellen bilden die Schutzbarriere des Darms und regulieren den Austausch von Nährstoffen und Abwehrstoffen. Wissenschaftler vermuten, dass extrazelluläre Vesikel eine Schlüsselrolle bei der Aktivierung gespendeter Immunzellen spielen und damit zur Entstehung der akuten GvHD beitragen. Ein besseres Verständnis dieser Wechselwirkungen könnte zu neuen Diagnose- und Behandlungsmethoden führen.
Shaikh und sein Team analysieren die Zusammensetzung der extrazellulären Vesikel und untersuchen, wie sie das Immunsystem beeinflussen. Ziel ist es, ihren Beitrag zur Immunaktivierung und zum Verlauf der akuten GvHD besser zu verstehen. Darüber hinaus könnten extrazelluläre Vesikel als Biomarker dienen – also als Frühwarnsignale, mit denen sich das Risiko einer akuten GvHD frühzeitig erkennen lässt. Solche Erkenntnisse wären ein wichtiger Schritt hin zur personalisierten Medizin. Ärztinnen und Ärzte könnten das individuelle Risiko präziser einschätzen und Behandlungen gezielter anpassen, um Patientinnen und Patienten besser zu schützen.
Mit neuen therapeutischen Ansätzen Ergebnisse von Stammzelltransplantationen verbessern
„Durch den Einsatz fortschrittlicher Multi-Omics-Analysen, bildgebender Verfahren und funktioneller Studien an Mausmodellen könnte diese Forschung wichtige Einblicke in die Mechanismen der akuten GvHD liefern“, erklärt Haroon Shaikh. „Gleichzeitig wollen wir neue therapeutische Ansätze untersuchen, um die Auswirkungen dieser schweren Komplikation zu verringern und letztlich die Behandlungsergebnisse für Transplantationspatienten zu verbessern.“
Außerdem könnten die Erkenntnisse über die Stammzelltransplantation hinaus von Bedeutung sein. „Indem wir das Zusammenspiel zwischen Darm und Immunsystem sowie die Rolle extrazellulärer Vesikel bei der Immunregulation besser verstehen, könnte unsere Forschung auch zu neuen Behandlungsansätzen für Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis führen“, ergänzt Shaikh. Der Wissenschaftler beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den immunologischen Mechanismen der akuten GvHD. Er verfügt über eine umfassende Expertise in Immunologie, Hämatologie, Multi-Omics-Technologien und moderne Bildgebungsverfahren. Zudem bringt er wertvolle Erfahrung aus der Arbeit mit In-vivo-Transplantationsmodellen und der Entdeckung von Biomarkern mit.
Über Haroon Shaikh
Haroon Shaikh absolvierte sein Studium der Biotechnologie in Karachi (Pakistan) mit Auszeichnung und kam im Februar 2017 als Doktorand in das Forschungslabor von Prof. Dr. Dr. Andreas Beilhack an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des UKW. Das Team um Andreas Beilhack erforscht Immunmechanismen zur Bekämpfung von Krebs, Infektionen und Entzündungserkrankungen, um neue Diagnose- und Therapiemethoden zu entwickeln. Gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des DFG-geförderten Sonderforschungsbereichs Transregio 221 „GvH-GvL“ arbeitet das Team intensiv daran, diese Ziele voranzutreiben. Shaikh hat bereits bedeutende Erkenntnisse darüber gewonnen, wie Zellen außerhalb des Blutsystems zur Entstehung der akuten GvHD beitragen und welche Rolle Lymphknoten im Bauchraum bei der Immunzellaktivierung im Darm nach einer Transplantation spielen (Shaikh et al., JCI Insight; Shaikh et al., Front. Immunol., Ataide et al., Immunity). Für seine Forschungsarbeit wurde er mit renommierten Preisen der American Society of Hematology (ASH) und der European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) ausgezeichnet (siehe Pressemeldung vom 30.04.2024).
Forschungspartnerinnen und -partner
In der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des UKW arbeitet Haroon Shaikh eng mit Professor Andreas Beilhack und dem Klinikdirektor Professor Hermann Einsele zusammen, die über langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Stammzelltransplantation und Biomarker-Entdeckung verfügen (Bäuerlein et al., BMC Med., Bäuerlein et al., Front. Immunol., Tomuleasa et al., Ann Hematol.), sowie mit den Privatdozenten Dr. Daniel Teschner und Dr. Jochen Frietsch. Zusätzliche Expertise vor Ort bringen Dr. Taufiq Ahmad vom Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Medizin und Zahnheilkunde (FMZ) am UKW sowie Dr. Angela Riedel vom Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum (MSNZ) ein. Darüber hinaus pflegt Shaikh enge Kooperationen mit Professor Ernst Holler und Professorin Daniela Weber von der der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) sowie mit Professor Naveed Akbar vom Radcliffe Department of Medicine der Universität Oxford (UK).