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Institut für Pharmakologie und Toxikologie

Professor Dr. Hans-Günter Neumann verstorben

11/29/2019

Professor Dr. Hans-Günter Neumann, von 1970 bis 1998 Professor am Lehrstuhl für Toxikologie unseres Instituts, ist Anfang November 2019 im Alter von 86 Jahren verstorben. Er war eine der prägenden Persönlichkeiten des Faches Toxikologie in Deutschland......

Nachruf

Prof. Dr. Hans-Günter Neumann

 

Professor Dr. Hans-Günter Neumann, von 1970 bis 1998 Professor am Lehrstuhl für Toxikologie unseres Instituts, ist Anfang November 2019 im Alter von 86 Jahren verstorben. Er war eine der prägenden Persönlichkeiten des Faches Toxikologie in Deutschland. In Würdigung seiner auch international hoch anerkannten Forschungsarbeiten zu zentralen Fragen der Toxikologie war er 2004 zum Ehrenmitglied der Fachgesellschaft DGPT gewählt worden (Biospektrum 4/2004, 426-427 ).

Hans-Günter Neumann wurde am 10.08.1933 in München geboren. Dort studierte er Chemie und wurde im Jahre 1961 zum Dr. rer. nat. promoviert. Nach einer Zeit als Postdoctoral Fellow an der Universität Chicago, USA, kehrte er 1965 nach München zurück, wo er am MPI für Biochemie mit seinen Arbeiten über kanzerogene aromatische Kohlenwasserstoffe und aromatische Amine begann. 1970 wechselte Neumann als Leiter einer Arbeitsgruppe an unser Institut, wo er sich 1971 als erster Nichtmediziner in der deutschen Toxikologie für das Fachgebiet "Biochemische Pharmakologie und Toxikologie" an der Medizinischen Fakultät habilitierte. Im Jahre 1978 wurde er zum apl. Professor, 1984 zum Universitätsprofessor der Universität Würzburg ernannt.

Von 1985 bis 1998 war seine Arbeitsgruppe Teil des SFB 172, "Molekulare Mechanismen kanzerogener Primärveränderungen" der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), und von 1990 bis 1996 wirkte Neumann als Sprecher dieses Sonderforschungsbereiches. Neben der wissenschaftlichen Grundlagenforschung engagierte sich Hans-Günter Neumann für die Umsetzung toxikologischer Erkenntnisse in die Praxis: Als hoch geschätztes Mitglied in der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der DFG (MAK-Kommission), der Kommission Innenraumlufthygiene des Umweltbundesamtes und der Kommission Human-Biomonitoring des Umweltbundesamtes leistete er maßgebliche Beiträge zur wissenschaftlich fundierten Risikobewertung von Chemikalien und damit zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und zum umweltbezogenen Gesundheitsschutz. Er setzte sich zudem in der Beratungskommission und als Vorsitzender der Sektion Toxikologie in der Deutschen Gesellschaft für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie (DGPT) dafür ein, die Toxikologie als einen Kernbereich in Forschung und Lehre zu begreifen, in dem die Grundlagen gelegt werden, nach denen die Gefährdung des Menschen durch äußere Belastungen zu bewerten ist. Auch nach seiner Emeritierung (1998) blieb er dem Fach weiterhin eng verbunden (Biospektrum 04/2011, 462-463).

Im Fokus seiner wissenschaftlichen Arbeiten stand die chemische Kanzerogenese, insbesondere durch aromatische Amine und die Charakterisierung von DNA-Schädigungen durch deren reaktionsfähige Metabolite. Er befasste sich eingehend mit der Rolle der Toxikokinetik dieser Stoffe für die organspezifische Manifestation von Tumoren (Organotropie) und mit der Frage, ob sich für diese Stoffe auch ‚Wirkschwellen’ finden lassen oder nicht. Er konnte zeigen, dass es über einen großen Dosisbereich hinweg, auch bis in den Niedrigdosisbereich, einen linearen Zusammenhang zwischen applizierter Dosis und der kovalenten Bindung an DNA und Proteine gibt. Die Entdeckung, dass Metabolite aromatischer Amine an Hämoglobin binden, war dann Grundlage für die Quantifizierung deren Aufnahme in exponierten Individuen mittels solcher Hämoglobin-Addukte. Hinsichtlich der Organotropie kanzerogener aromatischer Amine gelang es ihm, für die Tumorigenese wesentliche Stoffeigenschaften und zelluläre Wirkungen aufzuklären. Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten sind in zahlreichen Original-Veröffentlichungen und weiteren Artikeln von Herrn Neumann dargestellt, sowie in dem höchst lesenswerten persönlichen Rückblick auf seinen Weg von der Chemie zur Toxikologie (Umweltmedizin in Forschung und Praxis 9/2004, 33-44). Die Bedeutung seiner Forschungsarbeiten wurde u.a. dadurch anerkannt, dass ihm 1991, zusammen mit Lars Ehrenberg, Dietrich Henschler und Werner Lutz, der Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft verliehen wurde.

Über viele Jahre hinweg war Hans-Günter Neumann ein engagierter Hochschullehrer. Von 1971 bis 1998 unterrichtete er an unserer Universität Medizin- und Pharmaziestudenten in den Fachgebieten Pharmakologie und Toxikologie und hielt Vorlesungen über Toxikologie für Chemiker und andere Naturwissenschaftler. Ferner war er maßgeblich an Fortbildungskursen der Gesellschaft Deutscher Chemiker beteiligt, die seit 1974 jährlich im hiesigen Institut stattfanden. Außerdem war er regelmäßig Dozent bei den Kursen in der Weiterbildung zum Fachtoxikologen der DGPT. Er war ein hervorragender Dozent und Referent mit großer didaktischer Begabung, der auch komplexe Zusammenhänge systematisch und klar darstellen konnte. In vielen Diskussionen und Einzelgesprächen wurde immer wieder deutlich, über welch enormes Wissen er verfügte.

Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war Herr Neumann ein stets inspirierender, diskussionsbereiter und fürsorglicher Chef. Aus dem guten und offenen Klima entwickelten sich daher fachliche und freundschaftliche Verbindungen auch über die Zeit der Zusammenarbeit in seiner Gruppe hinaus. Für ehemalige Mitarbeiter und Kollegen war und ist Hans-Günter Neumann ein Vorbild, als Wissenschaftler zeitlebens stark engagiert und motiviert, als Mensch kooperativ und konstruktiv denkend und handelnd, liebenswürdig, zurückhaltend und humorvoll. Bei allem fachlichen Engagement hat er nie die Fähigkeit verloren, die Welt außerhalb der Wissenschaft wahrzunehmen, Anteil zu nehmen, Verständnis für andere zu haben, und sich an vielem erfreuen zu können.

Wir werden stets mit Respekt, Sympathie und Wärme an ihn denken.

Helga Stopper

Gisela H. Degen (ehem. Mitarbeiterin von Prof. Neumann)

 

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