Deutsch Intern
Institut für Pharmakologie und Toxikologie

Rhythmusstörungen bei Herzschwäche - Neue Zielstruktur identifiziert

Date: 02/05/2022, 8:09 AM

Nach Zahlen der Deutschen Herzstiftung leiden rund vier Millionen Menschen in Deutschland an Herzschwäche. Rund die Hälfte dieser Patienten stirbt an Herzrhythmusstörungen.

Die Forschungsgruppen um Professor Samuel Sossalla aus der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II des Universitätsklinikums Regensburg und um Prof. Katrin Streckfuß-Bömeke aus der Pharmakologie und Toxikologie in Würzburg ist es gelungen, einen Schlüsselmechanismus für Herzrhythmusstörungen bei Herzschwäche zu identifizieren. Wird dieser ausgeschaltet, so enden auch die lebensgefährlichen Rhythmusstörungen.

Später Natriumstrom führt zu Herzrhythmusstörungen
Die Gruppen um Prof. Sossalla und Prof. Streckfuß-Bömeke begaben sich mit ihren Teams, anfangs beide noch in der Universitätsmedizin Göttingen, auf Ursachensuche dieser Arrhythmien. Als die wissenschaftliche Arbeit begann, war bekannt, dass es einen Natriumfluss gibt, der beim insuffizienten Herzen an Herzrhythmusstörungen beteiligt ist: Selbst wenn der reguläre kardiale Natriumkanal gehemmt wurde, blieb immer noch ein relevanter Anteil des späten Natriumstroms messbar. Nun galt es zu identifizieren, woher dieser verbleibende und potentiell gefährliche späte Strom kommt.“
Die Forschergruppen isolierten Herzmuskelzellen von Patienten mit Herzinsuffizienz. Bei der Untersuchung dieser Zellen konnte ein direktes Zusammenspiel zwischen der Kalzium-Kalmodulin-abhängige Proteinkinase II (CaMKII), die an der Entstehung von Herzschwäche und Rhythmusstörungen beteiligt ist, und dem Natriumkanal NaV1.8 identifiziert werden. Dieser Natriumkanal ist eigentlich ein Kanal des Nervensystems und jeder Mensch verfügt über diesen Kanal. Sie konnten jedoch zeigen, dass dieser plötzlich vermehrt im menschlichen Herz vorkommt, sobald das Herz erkrankt. Der Natriumstrom dieses Kanals fließt dann gesteigert und gefährlich und NaV1.8 verursacht somit den gesuchten Anteil des späten Stroms.
Diese Erkenntnis wurde in einer Vielzahl aufwändiger Versuchsreihen nachgewiesen. So wurden humane induzierte pluripotente Stammzellen verwendet, die in Herzzellen umgewandelt wurden. In diesen Zellen wurde mit der sogenannten Genschere CRISPR-Cas9 der Natriumkanal NaV1.8 genetisch herausgeschnitten. Bei den so veränderten Zellen konnte der späte Natriumstrom tatsächlich gestoppt werden, was den endgültigen Nachweis lieferte. In zellulären und in-vivo-Versuchen mit den modifizierten Zellen bestätigte sich die Annahme, dass sich mit Hemmung des späten Natriumstroms auch die Herzrhythmusstörungen reduzieren.

Translationale Forschung liefert neuen medikamentösen Ansatz

Da die gängigen Rhythmusmedikamente auf dem Markt mit starken Nebenwirkungen verbunden sind, liefern diese Forschungsergebnisse einen neuen medikamentösen Wirkansatz bei Herzrhythmusstörungen in der Herzinsuffizienz. Im nächsten Schritt sind die getesteten Wirkstoffe weiterzuentwickeln, um gezielt den NaV1.8 im Menschen zu hemmen. Diese Entwicklung könnte sogar in nicht allzu ferner Zukunft liegen, da aktuell bereits ein NaV1.8 -Hemmer in einem fachfremden Forschungsbereich im Menschen als neuartiges Medikament getestet wird.

Die Studie wurde in „nature communications“ publiziert:

Bengel, P., Dybkova, N., Tirilomis, P. et al. Detrimental proarrhythmogenic interaction of Ca2+/calmodulin-dependent protein kinase II and NaV1.8 in heart failure. Nat Commun 12, 6586 (2021). https://doi.org/10.1038/s41467-021-26690-1

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