English Intern
Lehrstuhl für klinische Epidemiologie und Biometrie

PAKO

Krebskranke sind mit erkrankungsbezogenen Herausforderungen konfrontiert. In welchem Ausmaß sich die Betroffenen in der Lage fühlen, diese zu meistern, und in welchem Umfang sie Unterstützung zur Stärkung ihrer Kompetenz wünschen, ist bisher wenig erforscht. Patientenkompetenz (PK) ist definiert als die Fähigkeit, mit aus der Krebserkrankung resultieren Herausforderungen und Belastungen umzugehen, dabei eigene Bedürfnisse und Ziele zu bestimmen und zu verfolgen sowie Unterstützung von Bezugspersonen und dem Gesundheitssystem zu nutzen (Weis & Giesler, 2008). In Anlehnung an das Rahmenmodell der Gesundheitskompetenz von Parker und Ratzan (2010) kann diese als Zusammenspiel von persönlichen Kompetenzen und den jeweiligen situativen Anforderungen bzw. der Komplexität der Systeme, innerhalb derer diese realisiert werden müssen, verstanden werden. Projektziel war es, Erkenntnisse über die Entwicklung der PK bei Frauen mit Brustkrebs und gynäkologischen Tumoren zu gewinnen.

Fragestellung. Die folgenden Fragestellungen wurden untersucht: (F1) Mit welchen Herausforderungen in den Domänen Informationsgewinnung, psychische Belastung und Symptome, Nebenwirkungen und Langzeitfolgen sind die betroffenen Frauen konfrontiert? (F2) Erleben sie sich als kompetent, diese Herausforderungen zu meistern bzw. Unterstützungsangebote zu nutzen? (F3) In welchen Domänen und in welcher Form wünschen sie sich Unterstützung, um ihre Kompetenz zu stärken?

Methodik. Im Projekt wurde ein mixed-methods Design mit zwei aufeinander aufbauenden Studienteilen umgesetzt. In Studienteil 1 wurden 55 Leitfaden-Interviews mit betroffenen Frauen im Akutkrankenhaus (nach OP), am Ende eines Rehabilitationsaufenthalts oder aus Selbsthilfegruppen durchgeführt, welche inhaltsanalytisch ausgewertet wurden. Auf Grundlage der Ergebnisse wurde ein Fragebogen zur Bewertung von 25 Herausforderungen auf einer 4-stufigen Ratingskala und jeweils dichotomer Bewertung der subjektiven Bewältigungskompetenz und von Unterstützungsbedürfnissen konzipiert. In Studienteil 2 erfolgte eine prospektive Kohortenstudie mit n = 120 Patientinnen und Frage-bogenerhebungen zum Abschluss der Akuttherapie (t1) sowie nach 6 und 12 Monaten (t2, t3).

Ergebnisse. Die häufigsten Herausforderungen mit mäßiger bis starker Ausprägung (≥ 50% im Verlauf t1-t3) liegen in der psychischen Krankheitsverarbeitung (z. B. mit Ängsten/Verunsicherungen umgehen, Krebsdiagnose verarbeiten) und im Umgang mit körperlichen Beschwerden (z. B. mit reduzierter Leistungsfähigkeit umgehen, Beschwerden vermindern). Der Frauenanteil mit subjektiv erlebter Kompetenz im Umgang mit diesen individuell relevanten Herausforderungen liegt am Ende der Akuttherapie zwischen 43% und 75%. Diese Anteile steigen im Erkrankungsverlauf für die meisten Herausforderungen (t3: 52-88%). 47% der Patientinnen geben zumindest ein (zusätzliches) Unterstützungsbedürfnis über alle Bereiche hinweg an (t1; Median = 0.0, IQR 0.0-3.0). Der Frauenanteil mit Unterstützungsbe-dürfnissen ist heterogen im Verlauf. Für 16 Herausforderungen nimmt dieser zu einem Messzeitpunkt (t2, t3) zu. Dies betrifft somit auch Herausforderungen, für die ein höherer Anteil mit subjektiver Kompetenz im Verlauf besteht.

Bereiche mit besonderer Relevanz mit Bezug zu den drei Komponenten sind: mit Ängsten/Verunsicherungen umgehen; Krebsdiagnose verarbeiten; Umgang mit reduzierter Leistungsfähigkeit; Beschwerden zu vermindern; auf Entspannung zu achten; körperlich aktiv zu sein; verstehen und bewerten von Informationen; Informationen für Entscheidungen nutzen; Zugang zu weiteren Behandlungen, Angeboten; an den Arbeitsplatz/in den Beruf zurückkehren

Fazit. Die Ergebnisse verdeutlichen die Vielfältigkeit und die Veränderung von individuellen Herausforderungen, aber auch bestehender Bewältigungskompetenzen und Unterstützungsbedürfnisse im Verlauf bis zu einem Jahr nach der Akutbehandlung. Angebote zur Stärkung eigener Kompetenzen sollten daher auch längerfristig bestehen und nach den individuellen Bedürfnissen zugänglich sein. PK kann über mehrere Komponenten gefördert werden. Deren Individualität und die Komplexität des Zusammenwirkens unterstreichen die Relevanz von Empowerment und patientenorientierter Versorgung. 

Publikationen

Fahmer, N., Faller, H., Engehausen, D., Hass, H., Reuss-Borst, M., Duelli, K., Wöckel, A., Heuschmann, P. & Meng, K. (2022). Patients' challenges, competencies, and perceived support in dealing with information needs - a qualitative analysis in patients with breast and gynecological cancer. Patient Education and Counseling, 105, 2382-2390. (Online Publikation 2021) https://doi.org/10.1016/j.pec.2021.12.006.
 
Meng, K., Fahmer, N., Engehausen, D., Hass, H., Reuss-Borst, M., Duelli, K., Wöckel, A., Heuschmann, P. & Faller, H. (2022). Patientenkompetenz zur Krankheitsbewältigung - eine qualitative Analyse bei Frauen mit Brustkrebs und gynäkologischen Tumoren. PPmP - Psychotherapie Psychosomatik Medizinische Psychologie. DOI: 10.1055/a-1956-9153.

Fahmer, N., Faller, H., Wöckel, A., Salmen, J., Heuschmann, P. & Meng, K. (2023). Patients' perceived challenges, competencies, and supportive care needs during acute clinical treatment of breast or gynecological cancer. Psychooncology, 32(5), 682‐691. https://doi.org/10.1002/pon.6112