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Wie Krebszellen Winterschlaf halten

Bundesweites Schwerpunktprogramm erforscht Entstehung von Knochenmetastasen

In den kommenden sechs Jahren arbeiten Wissenschaftler aus ganz Deutschland eng zusammen, um Knochenmetastasen nach einer vorherigen Brust- oder Prostatakrebserkrankung, sowie Knochenveränderungen beim Multiplen Myelom, frühzeitig zu erkennen und deren Entstehung zu verhindern. Insgesamt 7,8 Millionen Euro stehen für das von der Universitätsmedizin Dresden aus koordinierte, bundesweite DFG-Schwerpunktprogramm 2084 „μBONE – Kolonisierung und Interaktionen von Tumorzellen innerhalb der Knochenmikroumgebung“ in den kommenden drei Jahren zur Verfügung. Die Universitätsmedizin Würzburg ist mit zwei Projekten beteiligt.

Jede achte Frau sowie jeder achte Mann erkrankt im Laufe des Lebens an Brust- beziehungsweise Prostatakrebs. Diese beiden Karzinome sind bei den beiden Geschlechtern somit die am häufigsten auftretenden Krebsarten. „Es ist leider oft klinischer Alltag, dass wir Patientinnen mit Brustkrebs und Patienten mit Prostatakrebs sehen, deren Tumorerkrankung bereits vor mehreren Jahren besiegt schien, bei denen die Krankheit aber in Form von Knochenmetastasen zurückkehrt“, sagt Prof. Lorenz Hofbauer, Altersmediziner und Knochenspezialist am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden und Koordinator des µBONE-Konsortiums. Das Multiple Myelom ist eine weitere Tumorerkrankung, die in den Knochenstoffwechsel massiv eingreift. Die Folge sind Knochenbrüche, starke Schmerzen und eine Einschränkung der Lebensqualität. „Gerade das Mammakarzinom und das Prostatakarzinom neigen bei fortgeschrittener Erkrankung in bis zu 80 Prozent zur Ansiedlung in den Knochen, das Multiple Myelom ist .“ Die Krebszellen halten im menschlichen Körper im Knochenmark über Jahre eine Art „Winterschlaf“ und zerstören nach dem Erwachen den Knochen relativ rasch. Die Forscher wollen die Prozesse verstehen, die zu dieser Entwicklung führen.

„Die genauen Mechanismen und die einzelnen Entwicklungsschritte der Knochen- und Tumorzellen auf dem Weg zur klinisch erkennbaren Knochenmetastase sind unzureichend erforscht, stellen aber eine Grundvoraussetzung für eine frühzeitige Diagnose sowie eine verbesserte Prävention und Therapie dar“, sagen die beteiligten Forschungsleiter in Würzburg, der Hämatoonkologe Prof. Dr. Andreas Beilhack gemeinsam mit Dr. Andreas Brandl aus der Medizinischen Klinik und Poliklinik II und der Osteologe Prof. Dr. Franz Jakob gemeinsam mit PD Dr. Regina Ebert vom Lehrstuhl für Orthopädie. Beide Forschungsteams haben bereits in der DFG-geförderten überregionalen Forschergruppe „SkelMet“ eng zusammengearbeitet. Prof. Dr. Franz Jakob hatte gemeinsam mit Prof. Dr. Lorenz Hofbauer aus Dresden das Konsortium „SkelMet“ geleitet. Aus dieser Forschergruppe ist jetzt das Schwerpunktprogram „µBone“ entstanden, Jakob ist Mitglied der Steuerungsgruppe für das SPP. Dessen Ziel ist es, die Entstehung von Knochenmetastasen und das Überleben einzelner Tumor-Zellen im Knochenmark besser zu verstehen.

In Würzburg fokussieren die Forscher auf das Multiple Myelom und die damit verbundene Knochenerkrankung. Im Orthopädischen Zentrum für Muskuloskelettale Forschung wird gemeinsam mit der Universität Heidelberg (PD Dr. Dirk Hose und Dr. Anja Seckinger) das Projekt „Molekulare und funktionelle Charakterisierung des Interfaces zwischen normalen und malignen Plasmazellen und Knochenzellen - von der Einzel-Zell-Analyse der wechselseitigen Interaktionen zu deren klinischen Implikationen für die Knochenerkrankung und das Überlegen beim Multiplen Myelom“ bearbeitet. Mit modernsten Techniken wird die wechselseitige Beeinflussung von Tumorzellen und Knochenzellen untersucht. Prof. Dr. Jürgen Groll und Dr. Ana Sancho vom Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilkunde sind wichtige Partner in diesem Team, hier werden mit neuartigen Methoden der Fluid-Atomic-Force-Microscopy physikalische Kräfte bei der Zell-Zell-Interaktion untersucht und Einzel-Zell-Analysen vorbereitet. Die Heidelberger Arbeitsgruppe setzt u.a. die gewonnenen Erkenntnisse mit einem sehr großen Datenpool von Patienten mit Multiplem Myelom in Beziehung und beschreibt damit zelluläre Phänomene, die einen wesentlichen Einfluss auf den Verlauf der Krankheit haben und damit neue Ansätze zum Verständnis und zur Therapie der Erkrankung bringen.

Die Wissenschaftler Dr. Andreas Brandl und Prof. Dr. Andreas Beilhack von der Medizinischen Klinik und Poliklinik II (www.beilhack.org) untersuchen, wie Multiple Myelom-Zellen sich über sogenannte Adhäsionsmoleküle in der Knochenmarksnische einnisten können. Die Forscher vermuten, dass sich die bösartigen Myelomzellen über Wechselwirkungen mit diesen Molekülen während ihres „Winterschlafs“ vor der Erkennung durch das Immunsystem aber auch gegen Chemotherapien schützen. Vorarbeiten der Wissenschaftler weisen auch darauf hin, dass ein weiteres Adhäsionsmolekül wiederum bei der Ausbreitung der Tumorerkrankung im Knochen wichtig sein könnte. Wie diese Mechanismen im Detail funktionieren, soll nun in den nächsten Jahren mit molekularen Methoden und eigens für diese Fragestellungen an der Universität Würzburg entwickelte Mikroskope untersucht werden. „Die wissenschaftliche Verknüpfung mit Kollegen aus verschiedenen Forschungsstandorten über traditionelle Fachgrenzen hinaus hat sich schon in der Vergangenheit hoch bewährt“, bestätigt Dr. Andreas Brandl. Der Grundstein für das hochaktuelle Forschungsprojekt wurde durch einen engen wissenschaftlichen Austausch der Forscher an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II und den Osteologie-Experten Prof. Dr. Franz Jakob und PD. Dr. Regina Ebert gelegt. „Im Vordergrund steht aktuell die Aufklärung der molekularen Zusammenhänge, wie die malignen Myelomzellen bestimmte Adhäsionsmoleküle missbrauchen, um über Jahre im Knochenmark auszuharren und sich, von der körpereigenen Immunantwort unerkannt, schleichend auszubreiten und den Knochen zu zerstören,“ unterstreicht Prof. Beilhack. Für ihre ehrgeizigen Pläne, auf Basis dieses Forschungsprojekts neue Therapiekonzepte für Patienten zu entwickeln, treffen die Wissenschaftler in Würzburg auf ein fruchtbares Umfeld. Die Medizinischen Klinik und Poliklinik II unter Leitung von Prof. Dr. Hermann Einsele, gilt als ein europäisches Spitzenzentrum in der Behandlung von Patienten mit bösartigen Erkrankungen des blutbildenden Systems. So wurde in Würzburg vor wenigen Jahren erstmalig das Medikament Blinatumomab erfolgreich in Krebspatienten erprobt, welches nun weltweit in der Leukämie-Therapie eingesetzt wird.

Schwerpunktprogramm 2084 der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Im Rahmen des Schwerpunktprogramms sollen Schlüsselmechanismen der Knochenbesiedlung durch Tumore und die nachgeschaltete Kommunikation zwischen den Zellen aufgeklärt werden. Dieses Wissen soll dazu dienen, bessere Strategien zur Behandlung von Knochenmetastasen zu entwickeln. Neben der Julius-Maximilians-Universität Würzburg sind weitere renommierte WissenschaftlerInnen und Universitäten an dem Programm beteiligt, so z.B. MedizinerInnen und WissenschaftlerInnen aus Dresden, Hamburg, Heidelberg, Erlangen, Lübeck, Berlin, Regensburg, Frankfurt/Main und Münster.


 

www.dfg.de/gefoerderte_projekte/programme_und_projekte/listen/


Kontakt für Journalisten
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden
Zentrum für Gesundes Altern
Prof. Dr. Lorenz Hofbauer
Tel: 0351/458 3173
theresa.reiche@uniklinikum-dresden.de
www.bone-lab.de


Kontakte in Würzburg
Orthopädisches Zentrum für Muskuloskelettale Forschung
Lehrstuhl Orthopädie
Prof. Dr. Franz Jakob
f-jakob.klh@uni-wuerzburg.de
PD Dr. Regina Ebert
r-ebert.klh@uni-wuerzburg.de
Tel: 0931/803-1580
Friedrich-Bergius-Ring 15
97076 Würzburg

Zentrum für Experimentelle Molekulare Medizin
Medizinische Klinik und Poliklinik II
Prof. Dr. Dr. Andreas Beilhack
beilhack_a@ukw.de
Dr. Andreas Brandl
brandl_a@ukw.de
ZEMM - Zinklesweg 10
97078 Würzburg
Tel: 0931/201-44040
www.beilhack.org