Nicht jede Form der Krafteinleitung in den Knochen wirkt sich positiv aus – Vibration mit hohen Frequenzen kann in bestimmten Situationen für die Knochenheilung schädlich sein
WissenschaftlerInnen der DFG-Forschergruppe 793 „Osteoporotische Knochenheilung“ haben kürzlich publiziert, dass Hochfrequenz-Vibration mit niedriger Amplitude die Knochenheilung behindern kann (Wehrle et al., 2014) (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24729351). Wenn man den gesamten Körper von Versuchstieren in einem Frakturmodell mit 35 Hz und 0,3g Peak-zu-Peak Beschleunigung vibrierte, resultierte das in einer erhöhten Knochendichte und biomechanischen Kompetenz, wie man das von Krafteinwirkung auf den Knochen allgemein annimmt. Dieses Regime beeinflusste die Knochenheilung weder positiv noch negativ. Wurde die Frequenz bei gleicher Amplitude auf 45 Hz erhöht, reduzierte dies die Knochenformationsrate und die biomechanische Kompetenz des heilenden Knochens deutlich.
Mechanobiologie ist ein zunehmend interessantes Feld der Forschung, das sich mit den Auswirkungen mechanischer Einflüsse auf die Zelldifferenzierung und die Gewebeeigenschaften beschäftigt. Das Phänomen ist eigentlich in allen Lebensbereichen sichtbar. Angefangen vom Herzschlag und der Pulsamplitude, der z.B. die Endothelzellen der Gefäße durchschnittlich 60 Mal pro Minute ausgesetzt sind, über die ständige Dehnung von Lungenzellen beim Ein- und Ausatmen bis hin zu den allgemein bekannten Phänomenen der Effekte von Training auf Muskulatur und Knochen. Wie alle Lebensumstände und Einflüsse auf das Leben als solches – sowohl im philosophischen als auch im biologischen Sinn – gibt es auch bei der mechanischen Einwirkung auf Gewebe ein Fenster der optimalen Krafteinwirkung und auf beiden Seiten der Verteilungsbreite auch die Pathologie der Immobilisation und der übermäßigen Krafteinwirkung. Diese Grenzen zur Pathologie sind in vielen Bereichen der Biomechanik leichter definierbar als dies der Fall ist für die Mechanobiologie. Die letztere beschäftigt sich u.a. mit der Frage, was von einer Krafteinwirkung letztlich bei der einzelnen Zelle ankommt und was diese Kraft in der Zelle bewirkt.
Die Ergebnisse der ForscherInnen unter der Leitung von Frau Prof. Ignatius aus Ulm, an denen auch die Hamburger Arbeitsgruppe von Prof. Amling und die Würzburger Arbeitsgruppe von Prof. Jakob beteiligt sind, zeigen erstmals auf, dass es feine aber bedeutsame Unterschiede in der Antwort des Gewebes gibt, zumindest in der Situation der Knochenheilung. Die Publikation im Journal of Orthopedic Research ist die erste einer geplanten Serie, deren Ergebnisse noch in Bearbeitung sind. Es ist zu erwarten, dass die positiven Effekte für die Frakturheilung bei Anwendung von Vibrationsverfahren nur in einem bestimmten Fenster der Amplitude und der Frequenz zu erreichen sind. Noch viel wichtiger daran: Es ist auch zu erwarten, dass man mit bestimmten Methoden bei der Knochenheilung Schaden anrichten kann, wenn die Anwendung mechanischer Kräfte mittels entsprechender Apparaturen in die Behandlung von PatientInnen einbezogen wird. Es bleibt sehr spannend, auf die zukünftigen Ergebnisse dieser Forschung aus der jetzt leider wie geplant auslaufenden Forschergruppe 793 der Deutschen Forschungsgemeinschaft (http://www.biomechanics.de/dfg793/projekte.html) zu warten.