System and network diseases - System-/Netzwerkerkrankungen
Auszug aus Empfehlungen der Arbeitsgruppe Forschungsstrategie an die Medizinische Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
In höher entwickelten Organismen regulieren miteinander vernetzte Systemfunktionen interne Prozesse und die Reaktion auf externe Einflüsse Dysregulation innerhalb dieser Netzwerke kann zu komplexen Erkrankungen führen, deren erfolgreiche Therapie von dem Verständnis der zugrundeliegenden, systemischen Mechanismen und Interaktionen abhängt.
Ein detailliertes Verständnis der Kommunikationsprozesse zwischen Organsystemen und zwischen Umwelt und Organismus ermöglicht die Identifizierung von Kausalzusammenhängenbiologischer Prozesse und somit ein mechanistisches Verständnis komplexer Pathophysiologie.Zentrale biologische und klinische Phänomene, wie z.B. off-target-Effekte von Medikamenten, lassen sich auf systemische Reaktionen (bzw. Kompensationen) in Antwort auf eine vermeintlich lokale Intervention zurückführen und damit auf die dynamische Kommunikation zwischen verschiedenen Netzwerkelementen wie z.B. Hirnarealen, Organen, aber auch Tumormikroumgebungen.
Für ein besseres Verständnis dieser Prozesse ist die Erforschung der Kommunikation; d.h. des Informationsflusses zwischen Organ(-systemen), externen Faktoren und Mikrobiom entscheidend. Elementare Aspekte sind dabei (i) die anatomisch-architektonischen Substrate, die Netzwerke, innerhalb derer Informationen ausgetauscht werden, (ii) die Art der Informationen bzw. der biologischen Signale und (iii) die zeitliche Dynamik des Informationsflusses und der dadurch hervorgerufenen Effekte. Ein besonderes Augenmerk liegt im Bereich der Systemerkrankungen auf den informationsvermittelnden Prozessen, die z.B. hormonell, im Blutkreislauf, Immunsystem oder zentralem und peripherem Nervensystem ablaufen.
Forschung zu Systemerkrankungen nimmt die Plastizität biologischer Prozesse in den Blick, die niemals stationär, sondern sich in einem fortwährenden Prozess der Veränderung auf unterschiedlichsten Zeitskalen befinden. Dabei können oft diskrete Zustände identifiziert werden, zwischen denen Organsysteme oszillieren und sich dabei wechselseitig beeinflussen. Eine Herausforderung systemischer, biomedizinischer Forschung besteht darin, Ursachen derÜbergänge zwischen adaptiven und maladaptierten Zuständen zu charakterisieren und gezielt zu beeinflussen.
Mögliche Forschungsprojekte in diesem Profilbereich:
- Die dynamischen Adaptions- und Kommunikationsprozesse innerhalb und zwischen verschiedenen Organsystemen (z.B. Herz-Hirn, Blutkreislauf-Immunsystem, Herz-Tumor, Tumor-Infektion, Tumor-Immunsystem, Kontrolle motorischer oder emotionaler Funktionen)
- Die Modellierung von Krankheitsprozessen im systemischen Kontext und im Hinblick auf Organismus-Umweltinteraktionen (z.B. stress-abhängige oder degenerative Erkrankungen, entzündliche Prozesse)