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  • Frontansicht des König-Ludwig-Hauses Heute und vor 100 Jahren
Lehrstuhl für Orthopädie und Lehrstuhl für Regeneration Muskuloskelettaler Gewebe

Vorgeschichte & Historie

Der Lehrstuhlinhaber der Universität Würzburg für das Fach Orthopädie ist traditionell in Personalunion der Chefarzt der Orthopädischen Klinik König-Ludwig-Haus des Bezirks Unterfranken. Orthopädie hat Tradition an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, die vor allem durch die Gebrüder Heine grundgelegt ist. Die Familie Heine hat Entwicklungen in der Orthopädie nachhaltig beeinflusst, durch sie gilt Würzburg als die Wiege der konservativen Orthopädie, m. E. also auch der Osteologie. Die berühmtesten Vertreter seien hier in aller Kürze vorgestellt.

Johann Georg Heine gilt als Begründer der Orthopädie in Deutschland. Er wurde am 3. April 1771 in Lauterbach im Schwarzwald geboren. Er erlernte in Überlingen das Handwerk eines Messerschmieds, ging anschließend auf Wanderschaft und wurde im Mai 1798 Instrumentenmacher für die Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Er begründete eine Werkstatt zur Entwicklung und Herstellung medizinischer Hilfsmittel und erstellte ein „Systematisches Verzeichnis chirurgischer Instrumente, Bandagen und Maschinen“ (Würzburg 1807). Er widmete sich dann der Weiterentwicklung des neuen Faches Orthopädie und eröffnete 1816 im ehemaligen Stephans-Kloster die erste orthopädische Anstalt auf deutschem Boden, die später unter dem Namen Karolinen-Institut, benannt nach der bayerischen Königin Karoline, weithin bekannt wurde (Abb. 1).  

Joseph Heine wird am 28. November 1803 als zweites Kind des Orthopädiemechanikers Johann Georg Heine in Würzburg geboren. Im gerade bayerisch gewordenen Würzburg ist der Vater, der als Messerschmied im Schwarzwald seine Laufbahn begann, inzwischen wohlbestallter Universitäts-Instrumentenmacher und Bandagist und eröffnet 1816 das erste orthopädische Institut auf deutschem Boden. Er besucht bis 1824 das Würzburger Gymnasium, und studierte anschließend in Würzburg und in München Medizin. Er studiert und praktiziert bei Johann Lukas Schönlein, einem der Begründer der modernen Medizin. Heine vertiefte seine medizinischen Kenntnisse durch Auslandsreisen. So befasst er sich im Winter 1828/29 in Paris mit Hautkrankheiten und Chirurgie. Die Abreise Johann Georg Heines nach Holland zwingt den Sohn 1829 zur Rückkehr nach Würzburg, wo er zusammen mit seinem Vetter Bernhard ein Jahr lang das Karolinen-Institut leitet. In diesem Jahr vollendet Bernhard Heine seine Erfindung des Osteotoms, und der Vetter Joseph macht Verbesserungsvorschläge, die - wie er sich später rühmt - dazu beitragen, dass das Instrument "zu dem jetzigen Umfange seines Wirkungsvermögens emporwuchs". 1830 trieb ihn das "Verlangen nach weiterer Ausbildung" nach Wien, wo er Verwundete des polnischen Novemberaufstandes und Cholera-Kranke behandelte. Selbst an Typhus erkrankt, musste er nach Bayern zurückkehren und er praktizierte als Arzt in Homburg am Main und in Würzburg, ehe er sich als Kantonsarzt im pfälzischen Waldmohr bewarb und mit der Ernennung 1836 königlich bayerische Beamter wurde, was er bis zu seinem Tode blieb. 1840 bewarb er sich um eine höhere Stelle, er wurde Kantonsarzt 1. Klasse in Germersheim. Er hat dieses Amt bis 1851 inne.

Bernhard Heine wurde am 20. August 1800 in Schramberg geboren. Die Eltern Bernhard Heines schickten ihren Sohn bereits im Alter von zehn Jahren nach Würzburg zu Johann Georg Heine, wo er zum Orthopädiemechaniker ausgebildet wurde. Bernhard Heine hatte auf Fürsprache seines Onkels hin Zutritt zu anatomischen Vorlesungen und zu praktischen Vorführungen in der Chirurgie. Mit 20 Jahren unternahm er zahlreiche Reisen zur Vertiefung seiner medizinischen Kenntnisse. 1822 kehrte er an das Karolinum zurück. Nach dem Wegzug Johann Georgs nach Holland übernahm er die Gesamtleitung des Karolinen-Instituts. Seine bedeutendste Entwicklung war das Osteotom (Abb. 2), das er 1834 auf der Akademie der Wissenschaften in Paris präsentierte. Er erhielt zahlreiche Forschungspreise und internationale Anerkennung. Er starb 1846 in Thun und wurde in Würzburg begraben.



Jakob Heine wird am 16. April 1800 als Sohn des Sonnenwirts und Mesners Martin Heine und seiner Frau Agathe Klausmann geboren. Es gelingt ihm 1821, an der Lateinschule in Alpirsbach aufgenommen zu werden. Mit den dort erworbenen Kenntnissen schafft er als Zweiundzwanzigjähriger schließlich doch die Aufnahme in Rottweil und legt in kurzer Zeit die Reifeprüfung ab. Wie vor ihm sein Vetter Bernhard Heine aus Schramberg geht er 1823 nach Würzburg, wo sein Onkel Johann Georg Heine seit 1816 sein inzwischen weithin berühmtes orthopädisches Institut betreibt. Während aber Bernhard von Anfang an beim Onkel in die Lehre geht und sich später auf dem Gebiet der Chirurgie weiterbildet, hält Jakob zunächst an seinem ursprünglichen Plan eines Theologiestudiums fest. Unter dem Einfluss des Onkels und der beiden Vettern Bernhard und Joseph wechselt er aber bald zur Medizin über und verbindet die praktische Arbeit am Karolinen-Institut mit einem gründlichen Studium an der Würzburger Universität. Nach vier Jahren schließt er 1827 mit einer Doktorarbeit über die Unterbindung der Unterschlüsselbeinarterie sein Studium ab. Heine bleibt noch eineinhalb Jahre als Assistenzarzt an der inneren und der chirurgischen Klinik und vervollständigt seine medizinische Ausbildung. Da er zeitweilig mit der Durchführung von Leichenöffnungen an allen Würzburger Kliniken betraut ist, kann er sein Wissen über Erkrankungen der Gelenke und Knochen, denen bald sein Hauptinteresse gilt, durch Sektionen vertiefen. Jakob Heine verließ 1829 Würzburg und eröffnete in Cannstatt eine Facharztpraxis (Abb. 3) als Orthopäde. Er war so erfolgreich, dass er bereits 1830 zum Ehrenbürger der Oberamtsstadt Cannstatt ernannt wurde. In einem eigens erworbenen und ausgebauten Haus errichtete Heine die erste orthopädische Anstalt auf württembergischem Boden, in der er bald Patienten aus ganz Europa behandelte. Sein Spezialgebiet waren Rückgratverkrümmungen, Klumpfüße und Lähmungen der Arme und Beine. Seit 1832 erscheinen von Jakob Heine selbst verfasste Berichte über die Anstalt mit exakter Aufzählung der behandelten Fälle von "Verkrümmungen des menschlichen Körpers", wie Rückgratverkrümmungen, Klumpfüße, Lähmungen der Beine und Arme. Im Jahr 1843 errichtet er weitere Gebäude. Heine betreibt die Orthopädische Heilanstalt bis 1865, dann setzt er sich zur Ruhe.

Das im Jahr 1916 gegründete König-Ludwig-Haus ist seither die Klinik, in der die Lehrstuhlinhaber für Orthopädie als Chefärzte die Versorgung orthopädischer Patienten sicherstellen. Der Gründer des König-Ludwig-Hauses war Prof. Jakob Riedinger. Bei dem Großangriff auf Würzburg am 16.03.1945 wurde auch das König-Ludwig-Haus zu 80% zerstört, was zu einer vorübergehenden Verlegung der Klinik in das Kloster St. Ludwig bei Wipfeld führte. Unter Kaspar Niederecker erfolgte von 1946 bis 1948 der Wiederaufbau der Klinik.

Von 1986 bis 2009 war Herr Prof. Jochen Eulert als Ordinarius für Orthopädie und Chefarzt der Klinik tätig. Anfang der 90er Jahre reifte der Plan, dem Lehrstuhl und dem König-Ludwig-Haus eine Forschungseinheit anzugliedern. Die Entscheidung, eine Stelle des Lehrstuhls in eine Wissenschaftlerstelle umzuwidmen war hierfür der erste Schritt. Erste Aufbauarbeit leistete in dieser Position Herr Prof. Dr. Norbert Schütze als Laborleiter eines experimentellen Forschungslabors. Die Umwidmung einer C3-Professur in eine Forschungsprofessur konsolidierte die künftige Entwicklung ganz erheblich.


Im Jahr 2001 wurde Herr Prof. Dr. Franz Jakob auf die Stelle eines C3-Professors für Experimentelle und Klinische Osteologie berufen. Zeitgleich mit seiner Amtseinführung gelang es, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft die Förderung einer Klinischen Forschergruppe zu erhalten. Unter dem Titel „Osteogene Stammzelldifferenzierung und Therapie von Knochenverlust“ nahm die Forschergruppe ihre Arbeit auf und entwickelte das neuentstandene Forschungszentrum zum Orthopädischen Zentrum für muskuloskelettale Forschung OZMF. Das OZMF wurde 2019 umbenannt in "Bernhard-Heine-Centrum für Bewegungsforschung" BHCB. Diese Umstrukturierung wurde gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung EFRE. Das orthopädische Forschungszentrum war der Kristallisationskeim für die Gründung des Muskuloskelettalen Centrums Würzburg MCW, das einen Höhepunkt in der Sichtbarkeit muskuloskelettaler Forschung an der Fakultät Würzburg darstellt und das auch national eine hohe Sichtbarkeit erreichen konnte. Die Übergabe des Lehrstuhls für Orthopädie von Herrn Prof. Jochen Eulert zu Herrn Prof. Maximilian Rudert im Jahr 2008 markierte einen weiteren Schritt in der Entwicklung der Orthopädie in Würzburg. Herr Prof. Rudert ist spezialisiert auf Tumororthopädie und der Ausbau dieses Segments der orthopädischen Versorgung ist ein erklärtes Ziel für die nächsten Jahre.