Host-microbial interactions (Gomez de Agüero Lab)
Säugetiere beherbergen Millionen von Mikroorganismen, darunter Bakterien, Pilze, Protozoen, Archaeen und Viren. Die meisten dieser Mikroorganismen sind Bestandteil der normalen Mikrobiota, die dem Wirt essentielle Vitamine und Nährstoffe liefert und die Besiedelung von Krankheitserreger verhindert. Außerdem wurde inzwischen nachgewiesen, dass die Immunabwehr von Säugetieren durch die Exposition gegenüber Mikrobiota und ihren molekularen Metaboliten sowohl direkt als auch indirekt beeinflusst wird. Mehrere Studien haben ein kritisches Zeitfenster für die Mikrobiota definiert, um das Immunsystem zu formen und die Homöostase des Gewebes zu etablieren. Wir konnten zeigen, dass die mütterlichen Mikrobiota während der Schwangerschaft die Immunität der Nachkommen prägt, um dadurch die Neugeborenen besser auf mögliche Infektionen mit Krankheitserregern vorzubereiten, die nach der Geburt auftreten können. Daher ist gerade die mütterliche Mikrobiota wichtig für die Entwicklung des Immunsystems der Nachkommen.
Unser Labor untersucht die Rolle der Mikrobiota bei der Entwicklung des Immunsystems in der frühen Lebensphase und die Folgen für die Gesundheit von Säuglingen und die langfristigen Auswirkungen im Erwachsenenalter. Dabei konzentrieren wir uns speziell auf die Funktion der Mikrobiota in der Entwicklung von Gewebe-Barrieren während der Schwangerschaft und in den Zeiträumen kurz nach der Geburt sowie auf die Immunreaktionen dieser Organe bei Infektionen, entzündlichen Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen.
Darmbakterien lösen postoperative Komplikationen aus
Bislang ging man davon aus, dass eine keimfreie Umgebung der wichtigste Faktor ist, postoperative Infektionen zu verhindern. Nun zeigt eine neue Studie des Teams von Mercedes Gomez de Agüero von der Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie in Würzburg zusammen mit der Universitätsklinik Bern, dass die Gefahr offenbar aus einer ganz anderen Ecke kommt: dem Darm der Patienten.
Kliniken versuchen Infektionen nach chirurgischen Eingriffen zu verhindern, indem die Umgebung so keimfrei wie möglich gehalten wird. Dass Begleitinfektionen bei invasiven Eingriffen die Sterblichkeit erhöhen, ist seit Langem bekannt. Deshalb werden umfangreiche Sterilisationsmaßnahmen durchgeführt, um Mikroorganismen während der Operation weitgehend auszuschalten.
Die in Cell Reports veröffentlichte Studie der Wissenschaftler der Max-Planck-Forschungsgruppe in Würzburg und der Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin des Inselspitals in Bern, zeigt nun: Die Verursacher dieser Infektionen weisen eine mikrobielle Signatur des Darms auf. Bei so gut wie allen Patienten handelte es sich bei den Erregern um Darmbakterien wie beispielsweise Enterococcus, Escherichia coli und Clostridium. In der Studie analysierte das Forscherteam die Mikroorganismen, die bei fast 4.000 Patienten nach einem größeren chirurgischen Eingriff Begleitinfektionen verursacht haben.
Die Erreger überwinden offenbar postoperativ die Darmbarriere und breiten sich über den Blutstrom im Körper aus. Am häufigsten sorgen sie nach Operationen an der Leber, der Bauchspeicheldrüse und den Gallenwegen sowie bei Operationen am Dünn- und Dickdarm für Infektionen. Besonders Patientinnen und Patienten, die sich einer großen Leberresektion – also der Entfernung großer Teile der Leber – unterziehen mussten, erlitten solch eine Infektion, die den Heilungsprozess deutlich verzögerte.
Wichtige Immunzellen sitzen in der Leber
Die Wissenschaftler sind dann den Mechanismen der Infektionskontrolle bei gesunden Patienten auf die Spur gegangen: Die Leber übernimmt in diesem Infektionsgeschehen eine besondere Rolle: „Wir wissen, dass spezielle Immunzellen, die in der Leber ansässig sind, für die Kontrolle dieser sich ausbreitenden Bakterien und für den Heilungsprozess nach größeren Operationen verantwortlich sind“, sagt Mercedes Gomez de Agüero, Nachwuchsgruppenleiterin in der Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie. Bei ihnen handelt es sich um eine Gruppe von Lymphozyten, die sogenannten „Innate Lymphoid Cells“ (ILCs) - wichtige Akteure des angeborenen Immunsystems.
Gelangen nun über den Blutstrom Bakterien aus dem Darm in die Leber, werden diese ILCs aktiviert und setzen spezielle Botenstoffe frei, wie beispielsweise Interleukin 22, ein Protein, das Immunreaktionen auslösen und regulieren kann. Auf diese Weise regen sie Leberzellen dazu an, antimikrobielle Substanzen zu produzieren. „Damit kontrollieren in der Leber ansässige angeborene lymphatische Zellen die systemische Ausbreitung von Darmbakterien und bekämpfen wirksam Begleitinfektionen nach Operationen“, so die Wissenschaftlerin.
Wie schützt man Patienten vor Infektionen durch eigene Darmbakterien?
“Die Stärkung der Immunität stellt somit eine sinnvolle prophylaktische und therapeutische Alternativstrategie zu den üblichen antimikrobiellen Therapien dar, um Begleitinfektionen nach Operationen zu verhindern“ schlägt der Berner Mediziner Guido Beldi vor. Zumindest so lange, bis aufgeklärt ist, welche Faktoren dafür verantwortlich sind, dass Darmbakterien nach einem operativen Eingriff die Darmbarriere überwinden und in das Körperinnere eindringen können. Dieser Frage will das Forscherteam jetzt nachgehen.
Originalpublikation
ILC3s restrict the dissemination of intestinal bacteria to safeguard liver regeneration after surgery. Manuel O. Jakob, Daniel Spari, Daniel Sanchez-Taltavull, Lilian Salm, Bahtiyar Yilmaz, Remi Doucet Ladeveze, Catherine Mooser, David Pereyra, Ye Ouyang, Theresa Schmidt, Irene Mattiola, Patrick Starlinger, Deborah Stroka, Franziska Tschan, Daniel Candinas, Georg Gasteiger, Christoph S.N. Klose, Andreas Diefenbach, Mercedes Gomez de Agüero, Guido Beldi. Cell Reports, DOI: https://doi.org/10.1016/j.celrep.2023.112269
Gomez link pubmed: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Selected Articles
- ILC3s restrict the dissemination of intestinal bacteria to safeguard liver regeneration after surgery, Manuel O. Jakob, Daniel Spari, Daniel Sànchez Taltavull, Lilian Salm, Bahtiyar Yilmaz, Rémi Doucet Ladevèze, Catherine Mooser, David Pereyra, Ye Ouyang, Theresa Schmidt, Irene Mattiola, Patrick Starlinger, Deborah Stroka, Franziska Tschan, Daniel Candinas, Georg Gasteiger, Christoph S.N. Klose, Andreas Diefenbach, Mercedes Gomez de Agüero, Guido Beldi. Cell Reports. 2023. doi 10.1016/j.celrep.2023.112269
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- Angriff aus dem Darm - 23.03.2023
Ongoing:
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DFG – SPP 2330 GO3241 1-1 https://spp2330.de/project-gomez-de-agueero/
Completed:
- Role of maternal microbiota and aryl hydrocarbon receptor signaling in establishing neonatal skin homeostasis (Jan2017-Dec2019).
SNF-Ambizione PZ00P3_168012. https://data.snf.ch/grants/grant/168012